Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 88. Sitzung / Seite 103

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nicht den Interessen der Unternehmer in jedem Punkt und nach jedem Beistrich entsprechen muß und daß es förderlich wäre, wenn sie Kinder- und Jugendlichenschutz betrieben. (Abg. Tichy-Schreder: Das muß nicht unterschiedlich sein! – Abg. Mag. Peter: Das ist ein Unsinn! – Abg. Tichy-Schreder: Das versteht er nicht!)

Ich war lange genug in der Betreuung von Jugendlichen und Lehrlingen tätig, um Ihre Probleme genau zu kennen und zu wissen, wo ihre Probleme liegen – ein Teil der Probleme, um ehrlich zu sein.

Ich glaube, wir alle machen einen Fehler – das betrifft vor allem die Unternehmerseite und diesen Entwurf –, wenn wir glauben, aus der Sicht einer Seite sagen zu können, das trifft oder betrifft oder spricht für das Ganze. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist nicht von einer Seite!)

Ich habe mich schon im Ausschuß furchtbar darüber aufgeregt, daß in diesem Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz Bestimmungen enthalten sind, mit denen man versucht, den Eindruck zu erwecken, die Einschränkung der Sonntags- und Wochenendruhe für die Jugendlichen entspreche auch deren Interessen. No na net! Das kann doch nicht sein! (Abg. Mag. Peter: Ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie hinaus in die Realität!) Ich denke, man kann nicht so weit gehen und sagen, daß ... (Abg. Murauer: Die wollen arbeiten und nicht verhindert werden! Das ist die Wahrheit!)

Die Jugendlichen wollen auch ihre Freizeit haben! Es ist ihr legitimes Recht, diese Freizeit genießen zu können, genauso wie alle anderen diese Freizeit genießen wollen. (Abg. Murauer: Die wollen arbeiten!) Wenn sie sie aus betriebliche Gründen nicht genießen können, dann muß etwas dafür gegeben werden. (Abg. Murauer: Stehen Sie doch mit beiden Füßen am Boden! – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)  – Danke. – Aber daß ausgerechnet die "christliche" ÖVP sagt, die Sonntagsruhe sei ihr in bezug auf die Jugendbeschäftigung völlig egal, da diese arbeiten wollen (Abg. Murauer: Das hat ja mit christlich nichts zu tun!)  – das haben Sie doch gerade gesagt –, auch am Sonntag arbeiten wollen, halte ich für ein starkes Stück. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz. – Zwischenrufe der Abgeordneten Murauer und Haigermoser. )

Man sollte die Dinge klar auf den Tisch legen, und das heißt, es handelt sich hier um die Interessen der Wirtschaft! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Man sollte darüber reden, ob es nur so und nicht anders geht. Aber automatisch zu sagen – so wie es teilweise auch in diesem Gesetz gemacht wird –, die Interessen der Wirtschaft seien auch die Interessen der Jugendlichen, halte ich für vermessen. (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. )

Ich bringe Ihnen deshalb nun einen Antrag zur Kenntnis, den wir im Rahmen dieser Debatte einbringen; er bezieht sich auf die Kontrolle der Berufsausbildung. Ich halte es für falsch, den Status quo fortzuschreiben, wonach die Unternehmer-Interessenvertretung die Unternehmen in bezug auf die Kontrolle der Berufsausbildung kontrolliert. Dafür müssen Sie erst einmal ein gutes Argument liefern, Herr Kollege Peter, denn es ist nicht so, daß Sie sagen können: Wir Unternehmer wissen am besten, wie die Kontrolle der Berufsausbildung stattzufinden hat, daß sie durch die Unternehmerseite stattzufinden hat. Es wird nicht einfach sein, das zu erklären, denn das ist ein ständisches Relikt, ein ständisches Denken, in dem der Unternehmer sozusagen den Patron gespielt hat und noch immer spielt. (Abg. Tichy-Schreder: Nein, wirklich nicht!) Selbstverständlich ist das so, Frau Kollegin Tichy-Schreder! (Abg. Tichy-Schreder: Ich lade Sie ein, schauen Sie sich die Realität an! Und ich würde darum bitten, daß auch der Gewerkschaftsbund Lehrlinge ausbildet! Dann würde er einiges verstehen!)

Ich glaube daher, Sie sollten gerade angesichts der gegenwärtigen Situation eines Abbaus von Schutzbestimmungen in dieser Hinsicht einen Schritt entgegenkommen und der langjährigen Forderung nach paritätischer Kontrolle der Berufsausbildung Rechnung tragen. Es wären auch andere Möglichkeiten, etwa die Kontrolle durch die Arbeitsinspektion, gangbar, aber die Arbeitsinspektion ist, wie Sie wissen, überlastet. Ich halte also den Vorschlag, eine von Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer paritätisch gebildete Stelle einzurichten, die die Kontrolle der Berufsausbildung vornimmt, geradezu für ein Gebot der Zeit.


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