Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 88. Sitzung / Seite 124

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Aber damit mein Beitrag hier nicht zu lang wird, komme ich zum eigentlichen Punkt, mit dem ich mich beschäftigen wollte, nämlich zum Antrag 388/A (E), der durch den Abänderungsantrag dann auch im Ausschuß eine Mehrheit gefunden hat. Kollegin Silhavy hat schon darauf Bezug genommen. Es geht um die Frage der Schaffung eines Bundessozialhilfegesetzes. Ich habe die Diskussion im Ausschuß verstanden und erkannt, daß die Anliegenstellung breit mehrheitsfähig ist. Dadurch mündet das in diese dann auch im Ausschuß mit Mehrheit beschlossene Entschließung. Ich erkläre gerne, daß wir hier und heute im Plenum diesem Ausschußbericht auch unsere Zustimmung geben werden. Ich habe im Ausschuß zwar ein anderes Abstimmungsverhalten gezeigt, weil ich verständlicherweise meinen eigenen Antrag verteidigt habe, aber über letzteren konnte ich dann durch die Mechanik im Abänderungsantrag nicht mehr abstimmen.

Es ist zwar nicht der Erfolg, den wir erhofft haben, aber es ist doch ein ganz wesentlicher Erfolg, weil die große Mehrheit des Ausschusses – und, wie ich hoffe, auch dieses Hauses – Gespräche in einer ganz bestimmten Richtung als notwendig erkannt hat. Es geht wirklich tatsächlich darum, daß wir uns überlegen müssen, ob das Gebiet der Republik Österreich wirklich so groß ist, daß es nicht möglich ist, bestimmte Dinge – selbstverständlich mit regionaler Ausdifferenzierung, was die Lebenshaltungskosten und so weiter anlangt – nach einheitlichen Mechaniken aufzubauen.

Es gibt zwischen den Bundesländern wirklich dramatische und merkwürdige Unterschiede, wie zum Beispiel den Ersatz der vollen Wohnkosten in einem Bundesland und der angemessenen Wohnkosten in einem anderen, und lauter solche Dinge. Es wäre daher wünschenswert, daß die Richtsatzvorschreibungen nach klaren und einheitlichen Regelungen erfolgen. Es geht um die Schaffung eines gleichmäßigen Zugangs zum Recht, zum Beispiel auch in der Frage der Antragsbindung oder der Amtswegigkeit. Das alles ließe sich doch harmonisieren. Auch die Definition des regulären monatlichen Bezugszeitraumes wäre etwas, was standardisierbar wäre.

Wenn ich etwa an die Dinge denke, die sich zuletzt in einzelnen Bundesländern abgespielt haben, dann muß ich sagen, daß zum Beispiel die Frage der Beschränkbarkeit der Verwertung von Vermögen, also die Frage des Schonvermögens, etwas ist, was dringend nach einer Harmonisierung ruft, ebenso die Frage der Beschränkung des Regresses bei laufendem Bezug in der offenen Sozialhilfe.

Jetzt mache ich die Schlaufe zum ABGB. Plötzlich wird im ABGB totes Recht entdeckt. Mit anderen Worten: Anscheinend ist aufgrund der Finanzierungsnöte im Bereich der Sozialhilfe ein Notventil entdeckt worden, und man hat erkannt, daß es da doch dieses alte, archaische Recht gibt, wonach Kinder ihren Eltern in der Not Unterhalt schuldig sind.

Das ist ein altes Recht, und es stammt aus einer Zeit, in der tatsächlich die Kinder die einzige soziale Sicherung der Menschen waren, aus der Zeit der großen Familien. Wenn man das in dieser Form individualisiert, dann wählt man im Bereich der sozialen Ansprüche alter Menschen einen Privatisierungszugang wie im frühen 19. Jahrhundert, das heißt: Plötzlich lassen wir die allgemeine Solidarität fallen wie einen heißen Erdäpfel.

Jetzt steht das noch im Gesetz, und es gibt die Möglichkeit, es anzuwenden. Aber ich meine, es wäre sinnvoll – und deswegen ist diese Entschließung ja entstanden –, wenn die Frau Bundesministerin im Zusammenwirken mit den Bundesländern überlegen würde, wo man eine vernünftige, der Wirklichkeit des Lebens besser entsprechende Grenze ziehen könnte, denn es gibt ganz unterschiedliche Umstände, unter denen man als Kind in diese Unterhaltspflicht geraten kann. Das kann zum Beispiel eine Notlage sein, die tatsächlich auch mit dem Kindschafts/ Elternschaftsverhältnis im Zusammenhang steht. Es kann aber auch der Vater oder die Mutter plötzlich im zweiten, dritten oder vierten "Frühling" sein oder ihr gesamtes Alterssicherungssystem verjuxt haben und dann sagen: Ich bin in Not.

Verstehen Sie, was ich meine? – Das sind archaische Formen, und wenn wir dafür eine andere Lösung finden könnten, dann wäre das besser. Wir widersprechen uns in dieser Frage nicht wirklich. Frau Kollegin Silhavy! Sie sind vielleicht deswegen nicht ganz glücklich über diese Debatte, weil das in einzelnen Bundesländern gelegentlich den einen oder anderen Landesrat


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