Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 90. Sitzung / Seite 30

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Meine Damen und Herren! Vor allem meiner Fraktion muß ich sagen, daß der mir gespendete Applaus völlig unverdient ist. All das, was Sie jetzt gehört haben, waren Zitate, Sätze, die nicht von mir stammen, sondern von ehemaligen oder auch derzeitigen Mitgliedern des Hohen Hauses aus dem Kreise der SPÖ und ÖVP. Kein einziger Satz war von mir! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ging mir bei diesen Zitaten nicht um billiges politisches Kleingeld. Es geht mir darum, zu zeigen, daß, gemeinsam mit den Anträgen der jetzigen Oppositionsparteien und über einen längeren Zeitraum gesehen – über einen längeren Zeitraum! – in der Frage der Kontrollrechte als Minderheitsrechte und gerade in der Frage der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht Grundkonsens besteht. Es haben alle politischen Gruppierungen in diesem Hohen Haus irgendwann einmal die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen aus, wie ich meine, guten Gründen als Minderheitsrecht eingefordert.

Lassen Sie mich mit einem weiteren Zitat fortsetzen. Max Weber hat zu Beginn der Republik in Deutschland verlangt, daß das Einsetzen von Untersuchungsausschüssen einem Fünftel der Abgeordneten zustehen soll. Den gleichen Vorschlag enthielten, was noch wichtiger ist, 1919/20 in Österreich die Verfassungsentwürfe sämtlicher politischen Parteien mit Ausnahme jener der Sozialdemokraten, allerdings, das muß man sofort hinzufügen, waren es insbesondere Otto Bauer und Danneberg, die im Zuge der Verfassungsreform 1929 einen entsprechenden Vorstoß machten, und zwar mit dem Argument – ich werfe ein: heute todsicher noch gültigen Argument –, mit der Verfassungsreform 1929 sei gegenüber der vorherigen Situation die Regierung gestärkt worden.

Man muß noch hinzufügen: Gründe, die gegen Minderheitsrechte als Kontrollrechte einmal sprachen, bestehen heute sicher nicht mehr. Zum ersten steht jede parlamentarische Fraktion in diesem Haus in der Zweiten Republik auf dem Boden der parlamentarischen Demokratie – im Unterschied zur Ersten Republik. Zweitens ist das politische Bewußtsein, der Parlamentarismus so verankert, daß die Parlamentsobstruktion wohl ein historisches Relikt ist. Und drittens: Die Folgerung daraus wäre: Kontrollrechte müssen im Prinzip Minderheitsrechte sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch das waren Zitate, und zwar habe ich mir erlaubt, mich selbst aus einer parlamentarischen Enquete im Jahre 1981 zu zitieren, womit ich beweisen möchte, daß ich heute, wenn ich diese Position vertrete, sie nicht als tagespolitische Forderung in den Raum stelle, sondern es sich um eine von mir schon vor langer Zeit angestellte Überlegung handelt.

Ich möchte noch einmal folgendes betonen: Langzeitlich betrachtet gibt es hier in unserer Zweiten Republik einen Grundkonsens dahin gehend, auch Untersuchungsausschüsse als Minderheitsrecht zu gestalten. Wir brauchen uns dessen nicht zu genieren, denn es ist dies, sozusagen, EU-Standard.

Gestatten Sie mir nur einen Hinweis: In den 17 Parlamenten der Bundesrepublik Deutschland – in 16 Landtagen und im Bundestag – steht das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, in der geringeren Anzahl der Parlamente einem Viertel der Abgeordneten zu, in der schwachen Mehrheit sogar einem Fünftel der Abgeordneten. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!) Ich glaube, daß man durchaus die Frage stellen kann: Sind wir in Österreich parlamentarisch nicht so reif, wie man es in den deutschen Ländern ist, einschließlich der neuen Länder, die lange Zeit, seit dem Jahre 1933, keine Demokratien waren? Sind wir nicht ebenso reif wie sämtliche deutschen Landtage oder der deutsche Bundestag? Warum kann es nicht so sein, daß wir mit diesen europäischen Standards gleichziehen?

Meine Damen und Herren! Ein von den Oppositionsparteien gefordertes Minderheitsrecht eines Viertels der Abgeordneten würde dieses Recht heute keiner einzigen Oppositionspartei allein zugänglich machen. Jene Parteien, welchen dieses Recht zustünde, nämlich allein zustünde, wären ausschließlich die jetzigen Regierungsparteien. Daher frage ich mich: Was wird denn befürchtet? Wird befürchtet, daß eine Regierungspartei gegen die andere eine Flut von


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