Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 42

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Anspruch nehmen, daß ich einige kenne, die eine funktionierende Familie zu Hause haben. (Abg. Dr. Mertel: Zwei von drei Ehen!) Das zum einen.

Wir reden in allen Bereichen vom Rückzug des Staates. Wir delegieren quasi alles an das Private und an die kleinere Einheit. Wir gliedern aus, wir schaffen Selbstverwaltung für die VOEST und den "Konsum" und was auch immer. (Abg. Dr. Haselsteiner: Für den "Konsum" nicht mehr! – Abg. Dr. Khol: Den "Konsum" gibt es nicht mehr!) Das ist richtig, ja, das hätten wir nur gerne gehabt.

Nun also Lean-Management. Der Ort aber, an dem wir das "leanste" Management haben, die effektivste wirtschaftliche und soziale Einheit, ist die Familie. Die Leistungen der Familie im positiven Sinne sind bekannt, möchte ich einmal sagen, und sie basieren darauf, daß es unter den Menschen persönliche Zuneigung gibt – das muß man auch einmal festhalten – und daß sie die geringsten gesellschaftlichen Kosten verursachen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Ein Produkt der persönlichen Zuneigung ist von öffentlichem Interesse?) Das habe ich nicht gesagt, Herr Haselsteiner. Das hat auch der Verfassungsgerichtshof nicht gesagt.

Eine funktionierende Familie ent lastet den Staat und eine nicht funktionierende Familie be lastet ihn. (Beifall bei der ÖVP.) Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Nur muß man auch einmal sagen, daß die teuerste Lebensform jene der Vereinzelung ist, also das Singledasein, auch wenn es in den Zeitgeistmagazinen sehr behübscht dargestellt wird. Ich möchte jetzt nicht von den emotionalen Defiziten reden, aber abgesehen davon ist das die teuerste Art der Lebensführung, die sich die Gesellschaft leisten kann. (Abg. Dr. Khol: Gefährlich!)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf eine Umverteilung und einen vertikalen Kapitalfluß zu sprechen kommen. Auf der einen Seite stehen dabei diejenigen mit der möglicherweise individuell befriedigenden, aber auch belastenden Aufgabe des Kinderaufziehens, der Kindererziehung und des In-die-Gesellschaft-finden-Lassens von Kindern, auf der anderen Seite diejenigen, die – auch mit zu respektierenden Gründen – sagen, daß sie allein leben möchten. (Abg. Öllinger: Was hat das mit der vertikalen Umverteilung zu tun?) Aber es ist – und kann nichts anderes sein – eine Forderung der Gerechtigkeit und eigentlich das Selbstverständlichste der Welt, daß es dabei einen Kapitalfluß von den einen zu den anderen gibt. Es ist in diesem Zusammenhang traurig, Herr Öllinger, daß es eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes bedurft hat, um Sie und uns darauf aufmerksam zu machen, wie es eigentlich sein sollte. (Abg. Öllinger: Das ist horizontale Umverteilung!)  – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte. Sie haben das Wort.

11.03

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade mein Vorredner hat zu definieren versucht, was eine funktionierende Familie ist. Herr Kollege Morak! Ich denke, es steht Ihnen zu, Ihre Familie so zu definieren. Aber es stellt sich die Frage, was eine funktionierende Familie und was eine nicht funktionierende ist. Sind Alleinerzieherinnen, die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen, diejenigen, die Sie in die Kategorie der nicht funktionierenden Familien einreihen würden? – Dieser Verdacht drängt sich angesichts Ihrer Ausführungen auf.

Den Titel der heutigen Aktuellen Stunde – "Zukunftsorientierte Politik" – halte ich nach dem, was ich bisher gehört habe, und nach den Vorschlägen, die bisher vorgebracht worden sind, für vermessen. Meiner Ansicht nach wäre es passender, von "antiquierter Politik" zu sprechen. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Steibl. )

Bei der weiteren Bezeichnung, nämlich "unsere Familien", und vor allem nach den unkritischen Jubelrufen über das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs drängt sich mir auch der Verdacht auf, daß Sie mit den von Herrn Morak definierten funktionierenden Familien vor allem die begüterten ÖVP-Familien meinen. Das sind die Familien Khol, Bartenstein et cetera. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite