Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 105

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Das, was Sie heute beschließen und prolongieren, ist in den unteren Einkommensgruppen tatsächlich ein Sozialmodell, das eigentlich für einen Sozialstaat – zumindest, wenn man es sozial wirklich ernst meint – nach oben hin zu adaptieren wäre und nicht ab Einkommen von 10 000 S und mehr um einen Prozentpunkt nach unten hin. Die Einschleifregelungen könnten ab 10 000 S 1 Prozent bis 7 Prozent vorsehen und dann in entsprechender Form mehr. (Abg. Dr. Feurstein: Für das ASVG stimmt das nicht!) Herr Kollege Feurstein! Sie wissen, wovon wir reden. Wenn Sie sich das im ASVG anschauen: dort ab 8 000 S.

Herr Kollege Feurstein! Das ist weder sozial ausgewogen noch ein Jahrhundertwerk! Sie haben eine Tür aufgesperrt, die Tür zum Durchrechnungszeitraum bei den Beamten, aber es ist Ihnen und der Bundesregierung nicht gelungen, einen Solidaritätspakt zwischen Jung und Alt und zwischen Bedürftigen und Nichtbedürftigen zu schließen. Sie haben die Ziele der Pensionsreform in den wichtigsten Parametern klar versäumt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

15.50

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Haupt hat hier gesagt, daß diese Pensionsreform nicht der Stein der Weisen sei. – Ich meine, es ist ein völlig falscher Zugang, wenn man sich der Frage der Pensionsreform vom erkenntnistheoretischen Ansatz her nähert und meint, es wäre dabei irgendein Stein der Weisen zu finden. Das ist eine völlige Themenverfehlung!

Eine Pensionsreform hat danach orientiert zu sein, welche Zielsetzungen man damit verfolgt und wie man diese Zielsetzungen unter Zustimmung der Betroffenen in einem Land durchsetzen kann. Das ist kein Erkenntnisprozeß, sondern ein politischer Prozeß und ein Verhandlungsprozeß. Und das Ergebnis dieses Prozesses haben wir hier heute auf dem Tisch. Somit ist der Einwand des Kollegen Haupt, daß das nicht der Stein der Weisen wäre, eigentlich kein stichhaltiger.

Bei all dem, was die Experten sagen, gibt es ja auch höchst unterschiedliche Sichtweisen und Kritikpunkte. In der heutigen Ausgabe des "Standard" kann man zum Beispiel lesen, was einzelne Experten dazu meinen. Es wird etwa festgestellt, daß die Reform, wenn man im ASVG-Bereich unter 10 000 S sozusagen auch die Einschleifregelungen nimmt, zwei Drittel derjenigen betrifft, die eine ASVG-Pension haben. Was bedeutet das aber, wenn man es umgekehrt betrachtet? – Das würde ja heißen, daß man bei den ASVG-Pensionisten unter 10 000 S nach Auffassung dieser Experten in Wirklichkeit viel stärker einschneiden müßte. Da stellt sich für uns aber die sozialpolitische Frage, ob es wünschenswert sein kann, bei Pensionen dieser geringen Höhe einzuschneiden, oder ob es nicht ein legitimes Schutzbedürfnis für diese Gruppen in der Gesellschaft gibt. Das heißt: Das, was die Experten rein rechnerisch, rein mathematisch vom Standpunkt der Budgetfinanzierbarkeit aus auf den Tisch legen, hat ja noch lange nichts damit zu tun, wie dann später der einzelne individuell davon betroffen ist. Daher machen ja auch die Politiker, die vom Volk gewählt sind, die Politik und nicht die Experten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Schmidt: Wer hat das jetzt gemacht? Wer hat diese Politik gemacht?! – Abg. Mag. Stadler: Wer hat die Sozialpartner gewählt? Die Sozialpartner sind nicht die gewählten Volksvertreter! Passen Sie auf, was Sie sagen!)

Frau Kollegin Schmidt! Glauben Sie wirklich, daß in diesem Fall die Experten die Politik gemacht haben? – Nein! Wenn Sie schon die Rolle des Parlamentes ansprechen, dann reden wir ganz offen darüber. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Einer nach dem anderen. Jetzt kommt einmal die Kollegin Schmidt dran, dann setze ich mich mit Ihren Zwischenrufen auseinander, Herr Kollege.

Es war sozusagen nicht die höchste parlamentarische Ästhetik, nach der das in den letzten Tagen in den Ausschüssen abgelaufen ist. Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Aber ich hätte wirklich gerne gesehen, was passiert wäre, wenn die Regierungsvorlage tel quel, so, wie sie eingebracht wurde, beraten worden wäre, wenn sie ohne irgendwelche Veränderungen ins Plenum gebracht worden wäre. Alle hätten doch sofort gesagt, das Parlament nimmt seine


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