Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 97. Sitzung / Seite 36

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Weil Kollege Ofner auf die Frage der Sudetendeutschen eingegangen ist: Ich sage hier sehr offen, für uns Österreicher war die Vertreibung, die im Jahre 1945 stattgefunden hat, ein Unrecht und wird ein Unrecht bleiben, und wir nehmen uns immer heraus, ein Unrecht auch als Unrecht zu bezeichnen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es war eine schwere Menschenrechtsverletzung, über 3 Millionen schuldlose Menschen von einer Minute auf die andere zu vertreiben. Und ich sage hier sehr offen: Für mich sind diese Beneš-Dekrete ein Unrecht, das es in einem direkten Kontakt aus der Welt zu schaffen gilt. Daher mein Appell an die Verantwortlichen in unserem Nachbarstaat, sich in diese Richtung zu bewegen und die Havelschen Aussprüche und die Havelschen Aussagen auch Wirklichkeit werden zu lassen, mein Appell, daß man endlich das Zeitalter der Lüge auch in der Tschechischen Republik vergessen und eine Verbesserung der menschlichen Beziehungen, wenn auch nicht im Sinne eines Vergessens dieser furchtbaren historischen Situation, offen anstreben sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, es war der österreichische Einsatz für die Menschenrechte, der dazu geführt hat, daß, obwohl viele daran gezweifelt haben, in den Jahren 1989/90 die brutalsten diktatorischen Regime, die brutalsten Menschenrechtsverletzer in den osteuropäischen Staaten letzten Endes kapitulieren mußten. Um einen Ausspruch von Tolstoi zu verwenden: Es ist wichtig, sich stets dessen bewußt zu sein, daß Schweigen nicht erlaubt ist. Das Schweigen über Menschenrechtsverletzungen ist eine Linie, die wir nie verfolgen werden. Wir sind für das offene Aussprechen überall dort, wo es notwendig ist. Das ist die österreichische Haltung, das ist österreichische Aufgabe. Diese Aufgabe ist gerade im Jahre 1998 wieder an uns gestellt, und wir werden sie in der Außenpolitik sicherlich erfüllen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Scheibner. 7 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.22

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Ich möchte gleich an die Worte des Herrn Abgeordneten Höchtl anschließen. Er hat gesagt, die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg in weiten Teilen Europas war ein Unrecht, und darauf muß man immer hinweisen. – Ich gebe Ihnen diesbezüglich vollkommen recht, Herr Kollege Höchtl. Sie haben auch gesagt, wie man das machen soll, und der Herr Außenminister hat ebenfalls darauf hingewiesen: Bilateral solle man diese Staaten, die Nachfolgestaaten der ehemaligen kommunistischen Regime, dazu bewegen, daß sie dieses Unrecht auch als solches anerkennen.

Herr Kollege Höchtl, Sie wissen so gut wie ich, daß es derzeit nicht danach aussieht, als ob die Regierungen etwa Tschechiens oder Sloweniens auch wirklich bereit wären, dieses Unrecht nicht nur zuzugeben, sondern ein Mindestmaß an Vergangenheitsaufarbeitung zu zeigen, indem man jene Bestimmungen, die 1945 und in den folgenden Jahren die Rechtsgrundlage für diese Vertreibungen, für den Mord, für die Folter an vielen Hunderttausenden von Unschuldigen gewesen sind, aus den geltenden Rechtsordnungen entfernt. Und wenn Sie sagen, das dürfe man nicht junktimieren mit der Frage EU-Beitritt, dann muß ich Ihnen, Herr Kollege Höchtl und Herr Außenminister, sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir es zulassen dürfen, daß in eine demokratische Staatengemeinschaft ein Land aufgenommen wird, das derartige Unrechtstatbestände, Unrechtsbestimmungen in der geltenden Rechtsordnung hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das kann doch wirklich nicht im Sinne Österreichs sein, das die Menschenrechte und auch die Vertretung gegenüber der Bevölkerung von damals und den Nachfahren ernst nimmt.

Herr Bundesminister! Ich bin da etwas skeptisch, was Ihre Maßnahmen in diesem Zusammenhang angeht. Herr Kollege Höchtl, ich glaube, wir sollten uns doch so weit verstehen, daß Menschenrechte unteilbar und unverzichtbar sind, und darauf muß man doch immer wieder hinweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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