Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 97. Sitzung / Seite 97

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Der zweite Grund der Eigenkapitalarmut ist ohne Zweifel das Bewertungsrecht, das ich jetzt angetönt habe. Sie wissen, daß vor wenigen Wochen die erste Lesung über ein Euro-Bilanzgesetz, wie wir es genannt haben, stattgefunden hat. Sie haben dann vorgeschlagen, es "Jahrtausenderöffnungsbilanz" zu nennen. Mir sind beide Namen recht. Es geht darum, zu sagen, welche Möglichkeiten wir durch eine befristete Öffnung des Handelsgesetzbuches haben, damit Unternehmungen, die über stille Reserven verfügen – das sind bei Gott nicht alle – und die das freiwillig machen wollen, ihr Anlagevermögen unter Bezahlung einer Aufwertungssteuer aufwerten, um damit im neuen Währungsraum in der Lage zu sein, mit wirklich europafähigen Bilanzen in den internationalen Wettbewerb einzutreten.

Der dritte Grund dafür, daß wir in österreichischen Unternehmungen eine schlechte Eigenkapitalsituation haben, ist nach der Ertragsschwäche, der Frage des Bewertungsrechtes ohne Zweifel das Besteuerungsrecht. Wir besteuern Substanzen aus Betrieben weg.

Wir haben auch folgendes nicht verstanden, Herr Professor Nowotny, nämlich daß jede Betriebssteuer, die vor Entnahme erhoben wird, ein Kostenfaktor ist. Wir erhöhen damit die Kosten des Unternehmens. Ich bin dafür, daß jeder Schilling, der aus einem Unternehmen entnommen wird, selbstverständlich der vollen Besteuerung zu unterliegen hat – das ist gar keine Frage –, aber solange das Geld nicht aus dem Unternehmen entnommen wird, sollte es in diesem thesauriert werden können, um dort einen neuen Investitionsmultiplikator in Gang zu setzen und neue Marktchancen zu nützen.

Diese Argumentationen wurden bisher aus ideologischen Gründen – ich möchte sie "Scheuklappen" nennen – verweigert. Es geht im Steuerrecht ganz konkret darum, daß wir den Vorschlag noch antragsmäßig unterbreiten werden und Ihnen sagen werden, warum wir dieses neue buchmäßige Eigenkapital, das durch das "Jahrtausenderöffnungsbilanzgesetz" möglich geworden ist und in dem wirkliche Werte in den Bilanzen stehen, so nennen. Wir werden auch erklären, warum das buchmäßige Eigenkapital im Sinne eines Vorausgewinns mit 5 Prozent oder zum Beispiel nach der Sekundärmarktrendite verzinst wird; dieser Zinsertrag wird mit der KESt besteuert, so wie auch der Zinsertrag einer Anleihe oder eines Sparbuches mit der KESt besteuert wird. Nur der darüber hinausgehende Gewinn wird in der vollen Höhe besteuert.

All das hat mit der Frage der Unternehmensreorganisation zu tun. Meine Damen und Herren! Sie haben vor wenigen Monaten das Unternehmensreorganisationsgesetz beschlossen und ein Verfahren eingeleitet, bei dem ein Handelsrichter einen Buchprüfer, einen Fachmann damit beauftragen muß, ein Unternehmen, das an der Grenze zur Insolvenz steht – Sie haben sogar die nachhaltige Entschuldungsdauer mit 15 Jahren festgelegt und gesagt, das Eigenkapital dürfe nicht unter 8 Prozent fallen –, einem Reorganisationsverfahren zu unterziehen.

Wir Liberalen haben klar gesagt, daß wir dieses Unternehmensreorganisationsverfahren für viel zu statisch halten. Wir meinen, es kann der Dynamik der Wirtschaft nicht gerecht werden. Sie haben es beschlossen. Jetzt wird das, was Sie im April 1996 mit dem Strukturanpassungsgesetz beschlossen haben, schlagend. Sie haben gesagt, Sanierungsgewinne, die bei einem Ausgleich, bei einer Unternehmensreorganisation entstehen, sind voll zu besteuern; und das ab 1. Jänner 1998. Sie sind da wirklich in Verzug geraten.

Wenn Sie unserem Antrag nicht die Zustimmung geben, ihn nicht behandeln, bedeutet das, daß ein Unternehmen eine Reorganisationsphase durchläuft, die entweder ein stiller oder ein offizieller Ausgleich sein wird, und einen Sanierungsgewinn hat – das ist der Schuldennachlaß –, von dem Steuern zu bezahlen sind.

Wenn der Verlustvortrag in diesem Unternehmen kleiner ist als der Sanierungsgewinn, wird die Differenz besteuert. Aber worum geht es bei der Sanierung? – Meine Damen und Herren! Bei der Sanierung geht es doch darum, die Strukturen eines Unternehmens neu zu ordnen und ihm ein neues Rückgrat – sprich: ein neues Paket an Eigenkapital – zu geben, damit es die Zukunft erleben und überleben wird und weiter wachsen kann. Wenn Sie ihm nun dieses neugewonnene Eigenkapital im Sinne der Besteuerung der Sanierungsgewinne – sei es eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft – mit 50 Prozent Einkommensteuer oder 34 Prozent Körper


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