Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 101. Sitzung / Seite 33

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wären, das einzulösen, was Sie und Ihre Vorgänger versprochen haben, nämlich eine vernünftige, zielgerichtete österreichische Strukturpolitik zu machen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler: Aus welchen Maßnahmen soll denn das Vertrauen kommen? Aus dem Erfolg der Konsolidierung des Budgets? – Ja, das ist eine kleine Facette. Aber wo sind die anderen Maßnahmen? Soll man aus Ihrer Pensionsreform Vertrauen aufbauen? Soll man daraus Vertrauen aufbauen, wie diese zustande gekommen ist? Soll man darauf vertrauen, daß Sie einen "schlanken Staat" und eine moderne Verwaltung einführen werden, wenn man sieht, wie Sie bei der Pragmatisierung und bei anderen Lächerlichkeiten herumlavieren? Soll man in die Zukunft des Landes Vertrauen haben, wenn man weiß, welche Reformen Sie auf dem Bildungssektor zusammenbringen und wo Sie aufgegeben haben oder gescheitert sind oder dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners mit Ihrem Koalitionspartner folgen? – Das, Herr Bundeskanzler, sind keine Maßnahmen und keine Zeichen für Vertrauen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Soll man Vertrauen daraus ziehen, daß Sie eine gescheiterte Gewerbeordnungsreform vorgelegt haben? Soll man Vertrauen daraus ziehen, daß Sie im Prinzip in der Ausländerbeschäftigung gescheitert sind, weil Sie nicht mehr wissen, zwischen welchen Mühlsteinen oder welchen Alternativen Sie sich entscheiden sollen, und dem Druck der Basis oder dem Druck des Populismus nachgeben? Wo, Herr Bundeskanzler, soll das Vertrauen herkommen, wenn Sie rückwirkende Gesetze beschließen und sie in Verfassungsrang stellen, damit Ihre Maßnahmen möglichst unangreifbar werden? – Dieses ganze Bündel, Herr Bundeskanzler, ist kein Bündel des Vertrauens, sondern das ist ein Bündel, das bedenklich macht, und zwar den Unternehmer, den Staatsbürger und – in welcher Form auch immer er erscheint – den politisch interessierten Menschen.

Herr Bundeskanzler! Noch ein Wort: Sie sagen, der Beschäftigungsgipfel werde den Durchbruch bringen. – Ich bin überzeugt davon, daß Sie mit einem mulmigen Gefühl zum Beschäftigungsgipfel fahren. Herr Professor Nowotny hat richtigerweise gesagt: Das Problem ist die Frage: Ist die Erwartungshaltung zu hoch oder zu niedrig? – Aber in puncto Beschäftigung wissen wir, Herr Professor Nowotny, sie ist in jedem Fall zu hoch. Der europäische Beschäftigungsgipfel ist eine politische Willenserklärung. Die Maßnahmen, die den Betroffenen, den Arbeitslosen, den auf dem Arbeitsplatz Gefährdeten tatsächlich helfen, wären diese strukturpolitischen Maßnahmen, von denen ich vorhin gesprochen habe – und nicht die Gipfelbeschlüsse von Luxemburg oder sonst irgendwo.

Herr Bundeskanzler! Sie sagen, jetzt komme die Steuer als Beihilfe, und das sei ein ganz wichtiger Punkt. – Ich bitt’ Sie, wie soll in einem Land, in dem nicht einmal Milliardenbeihilfen in Barem als verbotene Beihilfen klassifiziert werden konnten und werden, das viel komplexere, viel schwierigere Steuerinstrument als verbotene Beihilfe klassifiziert werden? – Das kann kein Argument sein, Herr Bundeskanzler, das Vertrauen bringt.

Sie sagen, Arbeit werde in dem Umfang nicht mehr Basis von Besteuerung werden, und wir werden auf eine Ressourcenbesteuerung übergehen. – Herr Bundeskanzler! Ich bin jetzt etwas länger als drei Jahre in diesem Haus, ich bin mit diesem Slogan schon hereingekommen, und da hat er schon einen Bart gehabt! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) In der Zwischenzeit ist nichts geschehen, nicht einmal in Ansätzen. Jetzt sagen Sie als Regierungschef, das werde das Programm der Zukunft sein! – Das, Herr Bundeskanzler, schafft nicht Vertrauen, und das macht nicht optimistisch. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundeskanzler! Ich hoffe, daß Ihre Aussage, Sie hätten den Europäern die österreichische Sozialpartnerschaft sozusagen verkauft oder angedient, Sie hätten sie dort als Erfolgsmodell untergebracht, nur eine gefährliche Drohung ist. Ich glaube, es ist schon deshalb eine gefährliche Drohung, weil es in den übrigen oder nur in ganz wenigen europäischen Ländern keine Pflichtmitgliedschaften zu Kammern gibt. Daher wird das Modell österreichischer Sozialpartnerschaft dort nicht funktionieren, sondern es wird vielleicht das funktionieren, was wir Liberalen uns so wünschen, nämlich der Ausgleich zwischen verschiedenen Interessengruppen auf freiwilliger Basis, auf Basis der Sachprobleme und nicht auf Basis des Proporzes und des politischen


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