Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 153

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek zu Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.30

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Bei dieser Debatte zur späten Stunde hat man die Chance, bereits heute in den morgigen Zeitungen zu lesen, was für morgen berichtenswert erscheint, weil es heute wichtig war.

Unter diesen Themenbereichen findet sich wieder einmal das internationale Zeugnis für unser Schulsystem. Die Fakten sind erfreulich, daran läßt sich nicht rütteln. – Ich bringe sie in Erinnerung: Österreichs Volksschüler sind Europameister in den Naturwissenschaften und belegen Spitzenplätze in Mathematik. Die Ergebnisse der OECD-Studie, so läßt es sich zusammenfassen, bedeuten einen Erfolg für Österreichs Schulen und Österreichs Lehrer.

Lassen Sie mich ein wenig ins Detail gehen: Gemäß einer Zwischenüberschrift sind Österreichs Volksschüler Europameister in den Naturwissenschaften. In der dritten und vierten Klasse Volksschule belegt Österreich im Vergleich mit 15 anderen OECD-Ländern in den Naturwissenschaften den dritten und in Mathematik den fünften Platz. In den Naturwissenschaften zählen Österreichs Volksschüler also zu den besten Europas. Die österreichischen Schülerinnen und Schüler liegen damit vor jenen aus Großbritannien, den USA und weiteren Staaten. Österreichische Mädchen – und jetzt wird es interessant – schneiden in der Untersuchung im Bereich Naturwissenschaften etwas schlechter ab als Buben, liegen aber noch immer deutlich über dem OECD-Schnitt.

Gott sei Dank gibt es aber auch noch unrelativierte positive Zwischenüberschriften und Meinungen. Der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen nimmt zu und hält weiter an. Für die österreichischen Bildungsausgaben brauchen wir uns nicht nur nicht zu genieren, sondern wir dürfen sogar sehr stolz darauf sein. Hier liegen wir weit vor Deutschland, Japan und den USA. Einzig und allein die Schweiz rangiert gleich mit Österreich, ist sogar um eine Nasenlänge voraus. In der internen Literatur-, Studien- und Debattenlandschaft sehe ich allerdings nicht, daß das Schweizer Schulsystem diesen Vorzug in der allgemeinen Ausschüttung von Bundesmitteln ergebnismäßig rechtfertigt oder belegt.

Lassen Sie mich nun dieses Ergebnis mit dem verbinden, was wir heute debattieren. Dem unterschiedlichen Abschneiden der Mädchen in den Naturwissenschaften in der Volksschule können wir mit zwei Maßnahmen begegnen, und zwar erstens mit Hilfe des Schulorganisationsgesetzes: In diesem wird nämlich die schon zitierte verbindliche Übung Berufsorientierung für die siebente und achte Klasse Volksschule, für die Oberstufe der AHS, für die Hauptschule und die Sonderschule verankert, und das ist gut so. Ich werde noch darauf zu sprechen kommen.

Ich komme zur zweiten Maßnahme: Man könnte die Frage stellen: Wo landen die braven Mädchen aus der Schule später auf dem Arbeitsmarkt und im Berufsleben? – Wir haben einmal naiv gemeint, Koedukation sei der richtige Weg. Mittlerweile müssen wir feststellen, daß man an deren Grenzen gestoßen ist. Mit dieser bloßen Zusammenführung im Unterricht ohne weitere Maßnahmen können wir nicht wirklich Gerechtigkeit schaffen. Denn Burschen nehmen für sich mehr Aufmerksamkeit und mehr Antwortressourcen der Lehrkräfte in Anspruch, und es werden ihnen durchaus auch von weiblichen Lehrkräften mehr Lautstärke, mehr Ich-Stärke und mehr Abenteurertum zugestanden. Mädchen sind nach wie vor hauptsächlich fürs gute Klima und für den emotionalen Frieden verantwortlich, und das schlägt sich dann auch in der Berufswahl nieder. Wir kennen diese Berufe: Friseurin, Verkäuferin und andere Dienstleistungsberufe auf einem nicht hoch entwickelten Niveau.

Mitverantwortlich dafür sind meiner Meinung nach auch die Sozialisationstendenzen der heutigen Zeit: Die Beschäftigung mit Esoterik, Barby, Cosy und Teekanne-Duft bringt ganz massive und subtile Beeinträchtigungen mit sich. Ich meine, daß wir dem mit den heutigen Schulvorlagen abhelfen. Denn Berufsorientierung ist wichtig. Sie wird stattfinden und findet sich teilweise jetzt schon auf der vorhandenen Basis des Unterrichtsprinzips: Vorbereitung auf die Berufswelt wieder. Wir brauchen für die Forcierung kein eigenes Fach, denn der jetzige Weg, dies als einen


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