Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 105. Sitzung / Seite 113

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Bei der letzten Ausschußsitzung ging es um die dritte Forderung, nämlich um die Frage der Freisetzungen in Österreich. Diese Frage ist eine extrem dringliche, denn nach geltendem Gentechnikgesetz – und das hat Frau Ministerin Prammer im Ausschuß ganz offen eingestanden – kann sie nicht umhin, Anträgen auf Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die Firmen im kommenden Frühjahr stellen werden, auch stattzugeben. Sie muß vollendete Tatsachen schaffen, bevor das Parlament über die Forderung, keine Freisetzungen in Österreich zu gewähren, entscheiden konnte.

All das spielt sich vor dem Hintergrund nahezu täglich und wöchentlich neu hereinkommender Erkenntnisse ab, die in seriösen wissenschaftlichen Magazinen publiziert werden, wonach das Gefahrenpotential der Gentechnik in der Landwirtschaft erheblich größer ist, als von den Behörden und den antragstellenden Firmen zunächst angenommen wurde.

Wir wissen, daß der Pollenflug gentechnisch veränderter Pflanzen viel weiter geht, als ursprünglich angenommen. Wir wissen, daß das für unmöglich gehaltene Auskreuzen gentechnisch veränderter Pflanzen zu Wildsorten bereits stattgefunden hat, und wir wissen aus den USA, wo derzeit über eine drastische Verschärfung des Gesetzes debattiert wird, daß das Hauptargument der Kritikerinnen und Kritiker, nämlich daß Herbizid- und Pestizidresistenzen von Pflanzen auf Organismen übertragen werden können, in der Realität leider bereits schlagend geworden ist.

Die ersten gentechnischen GAUs haben sich bereits ereignet. Welche Tragweite sie haben und wie sehr sie in Hinkunft die landwirtschaftliche Produktion beeinflussen werden, wissen wir noch nicht. Vor diesem Hintergrund der immer manifester werdenden naturwissenschaftlich bewiesenen Gefahren, vor dem Hintergrund der falschen Annahmen der Gentechniklobby und der Irrtümer von Behörden haben die Umweltorganisationen Mindestanforderungen gestellt, Mindestanforderungen, die in einem Rechtsstaat eigentlich so selbstverständlich sein sollten, daß ich wirklich schockiert bin, das hier überhaupt monieren zu müssen, eine Fristsetzungsdebatte überhaupt führen zu müssen.

Die Umweltorganisationen verlangen so selbstverständliche Dinge wie Parteistellung für die Betroffenen, so zum Beispiel für einen Biobauern, dessen Feld neben einem Feld liegt, auf dem eine Freisetzung stattfinden soll und der möglicherweise – und das wäre noch ein banaler Schaden – seine Ernte nicht mehr als Bioprodukte verkaufen kann. Die von der Regierungsseite nominierten Experten haben konzediert, daß die Regelung der Parteistellung im Gesetz überhaupt nicht enthalten ist, vielleicht per Analogie aus dem AVG herauskonstruiert werden könnte, aber jedenfalls erst von einem Höchstgericht entschieden wird. Das heißt, es kann im kommenden Frühjahr zu Freisetzungen kommen, und die Betroffenen – nicht einmal die unmittelbaren Nachbarn – haben keine gesicherte Parteistellung. Selbst wenn etwas passiert, wird es keine verschuldensunabhängige Haftung mit einer Beweislastumkehr geben, das heißt, ex ante keine Möglichkeit einer Mitsprache im administrativen Verfahren im Rahmen einer Parteistellung, und ex post, wenn etwas passiert sein sollte, keine Möglichkeit, Schadenersatzrechte in Anspruch zu nehmen.

Das ist ein Unikum in der österreichischen Rechtsordnung, so etwas gibt es sonst nirgends! Bereits Betreiber mindergefährlicher Anlagen müssen selbstverständlich haften, ja sogar Halter von Tieren müssen haften, aber für die Mega-Gefahrentechnologie Gentechnik hat man einen rechtsfreien Raum geschaffen.

Dazu kommen noch die Vorgänge im Ausschuß. Während wir im Ausschußlokal debattierten und ich die Ausschußvorsitzende ersucht habe, die Sitzung zu unterbrechen, damit wir ein Papier bekommen, um zu wissen, ob die Regierungsparteien überhaupt ernsthaft willens sind, auf die Mindestforderungen der ProponentInnen des Volksbegehrens einzugehen – diesem Ersuchen wurde übrigens nicht stattgegeben –, saßen im Nachbarraum – wie wir im nachhinein erfahren haben – Ministersekretäre, Klubreferenten, einige Abgeordnete sowie Herr Dr. Zacherl vom Institut für molekulare Pathologie, ein selbst an der Gentechnik ökonomisch Interessierter. Dieser kleine Kreis hat einen Entschließungsantrag ausgearbeitet, der weit hinter das, was Frau


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