Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 114

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werden wir Perspektiven für eine soziale Sicherung entwickeln können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

16.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.47

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! In dem Antrag des Liberalen Forums ist die Rede vom Wandel in der Arbeitswelt, von neuen Strukturen und von Arbeitsverhältnissen, die sich dem anzupassen haben. Es ist völlig klar, daß diese Anpassung tatsächlich erfolgen muß, und kein Mensch – zumindest in unserer Fraktion – wehrt sich dagegen. Es muß diskutiert werden über Telearbeit, Homeworking, flexiblere Arbeitszeiten in manchen Bereichen et cetera. Aber wichtig ist, daß man nicht das Kind mit dem Bade ausschüttet. Wichtig ist, daß man weiß, daß nicht alles, was es an Regelungen gibt, über Bord zu werfen ist. Aber in mir entsteht beim Antrag des Liberalen Forums ein sehr starker Verdacht in diese Richtung.

Viel öfter, als die Notwendigkeit besteht, Arbeitsverhältnisse anzupassen, ergibt sich die Tatsache, daß Menschen, daß Arbeitnehmer aus dem Arbeitsrecht hinausgedrängt werden. Uns liegen dazu x Fälle vor, die wir mit vertreten. Es gibt eben diese Quasi-Selbständigkeit nicht deswegen, weil man sich den Arbeitsverhältnissen neu anpassen will, sondern es gibt sie deswegen, weil man jemanden um Rechte bringen will, und deswegen, weil man andere Vorschriften beugen will. Wir alle kennen doch die Tatsache, daß zum Beispiel ausländische Beschäftigte aus dem Nicht-EU-Raum, die nicht Deutsch können und am Bau Hilfsarbeit verrichten, plötzlich Gesellschafter einer GmbH sind, ohne daß sie unser Rechtssystem überhaupt kennen. Es geht dabei darum, das Ausländerbeschäftigungsgesetz zu umgehen.

Oder es hat zum Beispiel Landeshauptmann Pröll eine gesetzwidrige Verordnung erlassen, sodaß es jetzt in Niederösterreich – im Multiplex – möglich ist, Sonntagsarbeit zu verrichten. Er hat sich darauf ausgeredet, daß es nur Unternehmer sein können, die im Geschäft stehen. Was ist jetzt der Fall? – Es gibt Umgehungskonstruktionen, um Arbeitnehmer zu Scheinselbständigen zu machen und diese Sonntagsarbeit zu ermöglichen. Wir haben x Beispiele von Konstruktionen, mit deren Hilfe den Leuten weniger bezahlt werden soll, als im Kollektivvertrag vorgesehen ist. Diese Scheinkonstruktionen dienen dazu, das Arbeitsrecht zu umgehen. Wir wissen alle, daß es im Handel solange ein sprunghaftes Ansteigen der Zahl der geringfügig Beschäftigten gegeben hat, solange damit keine Sozialversicherungspflicht verbunden war.

Es geht also letzten Endes darum, der Flucht aus dem Beschäftigungsverhältnis, der Flucht aus dem Arbeitsrecht vorzubauen, diese Flucht nicht zuzulassen. Diese Flucht aus dem Beschäftigungsverhältnis ist nämlich zum einen ein Problem für den einzelnen – er unterliegt eben einem schlechteren Arbeitsrecht und einem schlechteren Sozialrecht –, sie ist aber letzten Endes auch ein Problem für die Gesellschaft, denn es wächst damit eine Gruppe von Personen heran, die sozialrechtlich nicht abgesichert ist, und es entgehen natürlich der Sozialversicherung Beiträge.

Daher ist die Regelung absolut richtig – und es ist der Sozialministerin und ihrem Vorgänger dafür zu danken –, daß – und das ist der Kern des Ganzen – alle, die ein Erwerbseinkommen haben, auch in die Sozialversicherung einzahlen. Natürlich sollte das möglichst harmonisch und möglichst in eine Sozialversicherung erfolgen. Das würde zum Beispiel bedeuten, Herr Mag. Barmüller, daß der Beitrag für die Selbständigen, der derzeit bei 14 Komma etliche Prozent liegt, eben auch 22 Prozent, wie bei den Arbeitnehmern, betragen würde beziehungsweise daß es da eine Anpassung, der eine nach unten, der andere nach oben, gäbe.

Das wäre ein mir durchaus sympathischer Weg, nur können wir das gesamte Paket nicht alleine durchbringen, es ist natürlich auch mit dem Sozialpartner, mit dem Koalitionspartner zu verhandeln. Wenn man die Beiträge der Selbständigen, die wirklich anzuheben wären – wir wissen, daß für einen unselbständig Beschäftigten im Monat 1 400 S aus Bundesbeiträgen und für einen Selbständigen fast 5 000 S aus Bundesbeiträgen zuzuschießen sind –, tatsächlich


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