Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 59

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ein Erfolg, denn binnen neun Monaten wurde diese Konvention ausgearbeitet, die den Minderheiten sagt: Ihr habt eine größere Chance auf mehr Gleichwertigkeit, auf mehr Gleichheit!

Diese Aussage vertritt, glaube ich, das gesamte Hohe Haus hier, da es sich immerhin um ein Haus handelt, das eine lange Tradition bezüglich des menschenrechtlichen Engagements hat. Es freut mich, daß alle Fraktionen das vertreten – das hat sich in den Beratungen des Verfassungsausschusses gezeigt –, ich vertrete das auch aus meiner Überzeugung als Christdemokrat heraus, die Prinzipien für dieses Engagement finden sich in der christlichen Soziallehre und in der evangelischen Sozialethik. Beide sind, glaube ich, geistige Motoren für mehr Minderheitenschutz, mehr Menschenrechte, die in einer Welt, die sie so wenig kennt, so wichtig sind. – Ich danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

12.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.25

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das Gute an der Vorlage, um die es jetzt geht, ist, daß sie der erste rechtsverbindliche multinationale Versuch ist, eine Übereinkunft zugunsten der nationalen Minderheiten in die Tat umzusetzen.

Der Inhalt ist karg, und das ist das Negative. Auch meine Vorredner haben es schon durchklingen lassen: Es steht eigentlich herzlich wenig Substantielles drinnen, und das, was drinnensteht, ist von geringem Gewicht.

Von ganz besonderer Bedeutung im negativen Sinne erscheint mir, daß zwar die formelle Gleichstellung der Angehörigen nationaler Minderheiten mit den Angehörigen der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung hervorgehoben wird, daß aber ausdrücklich festgehalten wird, daß daraus keine kollektiven Rechte abgeleitet werden können für eine nationale Minderheit oder eine Volksgruppe; ich verwende lieber den Ausdruck "Volksgruppe", weil das weniger diminuierend erscheint als der Begriff "Minderheit". Wir alle wissen aber, daß eine Volksgruppe auf Dauer nur dann erhalten bleiben kann, daß sie nur dann blühen und gedeihen kann, wenn sie als Gruppe anerkannt wird und wenn man ihr als Gruppe Rechte und Möglichkeiten einräumt.

In der Stufenordnung der Negierung einer positiven Volksgruppenpolitik steht an erster Stelle die Position, die Frankreich in der Regel einnimmt, aber auch jene Bulgariens und der Türkei, die sagen: Bei uns gibt es keine Minderheiten! Alle Türken in Bulgarien sind nur Bergbulgaren, und alle Kurden in der Türkei sind nur Bergtürken. In Frankreich gibt es offiziell überhaupt keine Minderheiten, obwohl wir wissen, daß es dort eine Handvoll Minderheiten gibt.

Aber die zweite Stufe ist schon, daß man zwar dem einzelnen Bürger einer Minderheit formell dieselben Rechte einräumt wie dem Bürger der Mehrheitsbevölkerung, aber keine Gruppenrechte zuerkennt. Und über dieses bescheidene Stadium: Jeder Bürger ist gleichberechtigt!, kommt bedauerlicherweise auch die heutige Vorlage nicht hinaus.

Es ist auch keine Rede davon, daß man etwa vorgeben würde, daß den Angehörigen der nationalen Minderheiten, der Volksgruppen die Ausbildung, die Erziehung, der Unterricht in der Muttersprache zu ermöglichen wäre – Kindergarten, Schule, alles, was es da gibt –, es steht lediglich, daß das zuzulassen ist. Das heißt: Wenn jemand privat einen Kindergarten in der Sprache der Minderheit einrichten und betreiben möchte, dann kann man das nicht unterbinden, mit welchen Mitteln auch immer, oder man soll es zumindest nicht tun. Aber davon, daß ein Anspruch darauf bestünde, was eigentlich selbstverständlich ist, in Österreich etwa Unterricht in der Muttersprache zu bekommen, ist auch keine Rede.

Wenn es um die Sprachenproblematik geht, sind die Formulierungen deprimierend und entlarvend zugleich. Es heißt etwa – das muß man schon auf der Zunge zergehen lassen –: Jede Person, die einer nationalen Minderheit angehört, hat das Recht, ihre Minderheitensprache privat und in der Öffentlichkeit frei und ungehindert zu gebrauchen. Das heißt, reden darf er in


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