Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 176

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reichischen Sicherheitspolitik, nämlich auf die Frage der aus unserer Sicht überholten und obsoleten Neutralität.

Ich will Ihnen dazu vier Stellungnahmen wichtiger ausländischer Politiker und Militärs zur Kenntnis bringen, die Ihr Verteidigungsminister und Ihr Außenminister sehr wohl kennen, Ihnen aber, wie ich annehme, nicht zur Kenntnis gebracht haben, und die Ihnen von der SPÖ auch Ihr Kanzler vorenthält.

Zunächst erwähne ich die Stellungnahme des Dr. Gyarmati, des ungarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium für internationale Beziehungen: In dieser Stellungnahme bezieht sich alles auf die Frage, was geschieht, wenn es kracht, wenn Ungarn NATO-Mitglied ist und das neutrale Österreich dazwischenliegt. Dr. Gyarmati sagt – ich muß das schnell übersetzen –, daß man für den Fall, daß etwas schiefgeht und Ungarn die Hilfe von Nato-Staaten braucht, davon ausgeht, daß ein Land, das auch einmal Nato-Mitglied werden will, keine Schwierigkeiten machen wird, wenn Nato-Truppen und Ausrüstung über sein Territorium geschickt werden.

Wie verträgt sich das mit der Neutralität? Hören Sie gut zu! Der ungarische Generalstabschef hat das vor wenigen Wochen noch etwas deutlicher gesagt. Er sagt, daß bei den bisherigen SFOR-Einsätzen alle Truppen durch Österreich kamen, und man hofft, daß sich das bei einer Artikel-5-Operation, also im Verteidigungsfall, genauso verhalten wird. – Das heißt: Es ist keine Rede mehr von österreichischer Neutralität. (Abg. Schieder: Das hofft er!) Ja, das erhoffen sich die Ungarn!

Jetzt sage ich Ihnen, was die Nato-Militärs dazu sagen: Der erst vor kurzem in Pension gegangene höchste US-Militär General Shalikashvili sagt im Zusammenhang mit dieser Verteidigungsfrage, daß man durchaus damit vertraut zu sein hat, daß im Falle einer militärischen Aggression die gesamte Allianz den Ungarn zur Hilfe eilen wird, rücksichtslos beziehungsweise ohne Rücksicht darauf, ob ein Nichtmitgliedstaat dazwischen eingequetscht wird. (Abg. Schieder: Ja, die NATO ist rücksichtslos!) Wörtlich heißt es "regardless of a non-member country being wedged in". – Das ist die Ansicht der NATO! Das ist die Realität: Auf die Neutralität wird in einem Krieg niemand Rücksicht nehmen!

Das gleiche hat auch General Wesley Clark gesagt, als er hier war. Er hat gesagt, daß Ungarn unterstützt werden wird, so verhält sich jedes Bündnis, wenn es seinen Mitgliedern zu Hilfe eilt.

Wir sind der Meinung, daß alles andere unrealistisch wäre. Das Völkerrecht hat leider in der Praxis der Kriegsführung nie viel Bedeutung gehabt. Auch die Engländer haben das Völkerrecht bei der Invasion Norwegens nicht beachtet. Sie waren nur ein paar Stunden später dran als die Deutschen. – So geht es den Neutralen, wenn sie unrealistisch sind!

Wir sind der Meinung: Schutz bietet nur ein Bündnis, daher sind wir lieber im Bündnis und reden mit – aber nicht gegen den Willen der Österreicher, indem die eigenen Leute beschwindelt werden, wie es zum Teil von der Regierungskoalition versucht wird.

Über Herrn Kollegen Graff steht nicht umsonst im heutigen "Kurier": ",Weil die Neutralität aus dem Sprachschatz der Regierung verschwunden’ ist, hat sich der frühere VP-Generalsekretär Michael Graff an die Spitze eines Personenkomitees gesetzt. Dessen Ziel: Abhaltung einer Volksbefragung ,Neutralität Ja, NATO Nein’." So schaut es aus, so versuchen Sie, sich darüber hinwegzuschwindeln!

Wir Freiheitlichen sind jedoch nicht bereit, dieses Spiel mitzumachen! Wir sind für die NATO-Mitgliedschaft, aber wir wollen eine Aufklärung der Österreicher über die reale Situation, und wir werden es Ihnen nicht erlauben, sich darüber hinwegzuschwindeln, wie es Ihre Regierung gerne täte. Auch in der SPÖ wird der Bruch zwischen Regierung und Parlamentsfraktion offenbar. Nicht umsonst wurden bereits zweimal Regierungsvorlagen in diesem Zusammenhang vom Ausschuß zurückgewiesen. Wer ist der Chef der Regierung? – Der Kanzler! Das heißt, Sie haben Ihrem eigenen Kanzler dessen Brief mit dem Vermerk "Hausaufgaben nicht erfüllt" zurückgeschickt. In diesem Zusammenhang ist der Bruch in der SPÖ- Fraktion deutlich, und das bedeutet, daß wir in der österreichischen Sicherheitspolitik nicht weiterkommen.


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