Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 124

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Wir gehen in die Debatte ein. – Die Spielregeln sind die gleichen, ich brauche sie nicht zu wiederholen.

Frau Abgeordnete Dr. Povysil hat für 10 Minuten das Wort.

16.34

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte Ihnen heute eine unglaubliche und auch unendliche Geschichte erzählen – kein Märchen, sondern eine akribisch genau recherchierte und in allen Details belegte Realität. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. ) Ein wahrer Krimi, Herr Abgeordneter, passen Sie ein bißchen auf! Ein wahrer Krimi – schon fast "Oscar"-verdächtig –, der aufzeigt, zu welchen Machenschaften es auf dem Heilmittelsektor auf dem Rücken kranker Menschen gekommen ist und welche Machenschaften sich da auch weiterhin fortsetzen. Ein Drehbuch der Sonderklasse, meine Damen und Herren, vom Hauptverband gefördert, vom Rechnungshof geprüft, gerügt und verurteilt, von Frau Ministerin Hostasch bis heute durch Stillschweigen geduldet. Hören Sie – und urteilen Sie selbst!

Begonnen hat das Ganze 1937, als eine "Reichsliste" für Heilbehelfe erstellt wurde.

Seit dem Jahre 1959 regt der Rechnungshof an, die Preise dieser immer noch geltenden "Reichsliste" neu zu kalkulieren.

1994, also 35 Jahre später, bemühte sich der Hauptverband, dieser Empfehlung zu entsprechen, aber er machte nicht, wie es logisch wäre, selbst die Ausschreibung dieses Artikelkataloges, sondern er übergab sie einer Firma mit dem Namen ARGE Orthopädie. Die Firma ARGE Orthopädie war unter der Privatadresse eines Dr. Ivanic angesiedelt, eines Verwandten des ehemaligen Bundeskanzlers. (Abg. Reitsamer : Was schon nicht stimmt!) Von dieser ARGE wurde nun ein Katalog erstellt, der nur unter der Bedingung massiver Vorauszahlung in Höhe von mehreren tausend Schilling, also fast schutzgeldhafter Zahlungen, durch die Zulieferfirmen zu einer Produktaufnahme in diesem Katalog führte. (Abg. Mag. Trattner: Sehr schlimme Geschichte!)

Trotz massivster Beschwerden der Unternehmen gegen diese Vorgangsweise unternahm der Hauptverband nichts und leitete diese an ihn gerichteten Angebote einfach an die ARGE weiter.

Diese Mißstände – Insidergeschäfte, schutzgeldartige Zahlungen, ständig steigende Ausgaben für Heilmittel – haben wir bereits vor zirka eineinhalb Jahren hier im Parlament angeprangert. Sie können sich sicherlich noch an unsere Anfragen, auch an unsere Dringlichen Anfragen erinnern und wohl auch an unseren Entschließungsantrag, der schließlich zu einer Sonderprüfung der Gebarung der Sozialversicherungen durch den Rechnungshof führte.

Dieser Rechnungshofbericht, meine Damen und Herren, gab uns nun vollinhaltlich recht. In diesem wurde kritisiert: erstens die unklare Rechtsstellung der ARGE, zweitens die unklaren Vertretungsbefugnisse der ARGE, die ungeklärte Haftung für die hohen Beiträge, welche die Unternehmen zahlen mußten. Im Bericht stand, daß es unmöglich war, die Rechtsform der ARGE überhaupt zu ermitteln. Es war "nicht vertretbar" – so der Rechnungshof –, daß der Hauptverband die Monopolstellung der ARGE überhaupt zuließ, und es war ihm unverständlich, daß der Hauptverband nicht diverse andere Sozialversicherungsträger bei der Preisfindung stärker eingebunden hat. Dies führte nämlich zu einem Mehrertrag für Bandagisten in Wien von immerhin 3,3 Millionen Schilling – und das auf Kosten der Beitragszahler –, in Oberösterreich zu einem Mehrertrag von zirka 1 Million Schilling. Insgesamt brachte laut Rechnungshof – das ist nicht unsere Kritik! – die Neuregelung der Tarife den Sozialversicherungsträgern eine Ersparnis, den Bandagisten höhere Erlöse – und dies alles zu Lasten der Versicherten.

Soviel zur Rechnungshofprüfung, und Sie werden mir doch recht geben müssen, daß diese Fakten geradezu nach Handlungsbedarf schreien. Aber es breitet sich eine grenzenlose Stille um diesen Rechnungshofbericht aus, eine Stille, als gäbe es gar keinen Rechnungshof, als wäre der Rechnungshof ein Organ, das Ihnen gar nicht bekannt ist.


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