Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 94

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Wir müssen heute von den Nettoeinnahmen des Bundes deutlich mehr als 20 Prozent für Zinsen zahlen. Das, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, ist die klassische Umverteilung von unten nach oben! Alle zahlen Steuern, Mehrwertsteuer, auch die alleinerziehende Mutter und der Ausgleichszulagenbezieher zahlen Mehrwertsteuer auf Milch. Und von diesem Geld gehen über 20 Prozent an die Wohlhabenden in unserem Lande, die Geld haben, das sie dem Staat borgen.

Sie haben keinen Spielraum mehr – das ist das Schreckliche an diesem Budget! –, um einem allfälligen Konjunktureinbruch gegenzusteuern. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Selbstverständlich zeigt unsere Arbeitslosenstatistik nur 250 000 Arbeitslose. Ich möchte der österreichischen Bundesregierung ein Lob aussprechen: Sie haben in der Jugendbeschäftigung einen europäischen Spitzenwert erreicht. Mein Kompliment dafür! Das soll uns aber nicht davon abhalten, die Arbeitslosigkeit klar zu definieren und anzusprechen. Es sind nicht 250 000 Menschen, es sind insgesamt – das wissen Sie genauso wie ich – 500 000, wenn nicht 600 000 Menschen, von denen wir eben einen Teil anders, besser "geparkt" haben. Es ist sicher ein Erfolg, sie anders, besser zu "parken", aber sich dann mit der Arbeitslosenstatistik zu brüsten und zu meinen, wir wären die Meister der Europäischen Union in diesem Bereich, halte ich für falsch.

Der nationale Beschäftigungsplan, den Sie vorgelegt haben, ist ein Papier, das Sie zerredet haben. In der Planungsphase war guter Wille vorhanden, letztlich ist jedoch Hilflosigkeit herausgekommen. Lesen Sie doch bitte Ihren nationalen Beschäftigungsplan! Was außer Platitüden enthält er? – Es steht genau das drinnen, was auch im nationalen Beschäftigungsplan der Europäischen Union steht; es ist nur umgeschrieben. Wenn Sie, wie Stummvoll meinte, zwei Jahre brauchen, um so etwas zu entwickeln, dann muß ich sagen: Da halte ich es eher mit Haselsteiner. Die Übersetzung des nationalen Beschäftigungsplans aus Luxemburg hätte auch in vier Stunden durchgeführt werden können!

Meine Damen und Herren! 30 Jahre Ihrer Politik haben einen kostenüberfrachteten Staat gebracht. Es ist ein kostenüberfrachteter Staat! Sie, Herr Finanzminister, und Ihre Ministerkollegen bringen es nicht zustande, einen wirklichen Strukturwandel hinsichtlich der Kosten dieses Staates herbeizuführen. Es geht mir nicht um eine Kürzung der Leistungen. Ich behaupte hier, meine Damen und Herren, daß Sie dieselben Leistungen des Staates auch mit wesentlich geringeren Kosten erbringen könnten. Dieser Mühe unterziehen Sie sich aber nicht, oder Sie sind nicht in der Lage, das wirklich durchzusetzen. – "Ein Budget der Ehrlichkeit, mehr konnte ich nicht!", hat der Herr Finanzminister selbst gesagt.

Wir haben die höchste Steuer- und Abgabenquote. Mehr werden Sie den Österreicherinnen und Österreichern an Steuern und Abgaben nicht abnehmen können. (Abg. Böhacker: Du irrst!) Wir haben ein reales Wachstum von 2,5, fast 3 Prozent, und wir haben eine hervorragende Exportkonjunktur. Ist das nicht auch – der Lehre Keynes folgend – die Zeit, Herr Finanzminister, um die Verschuldung zu senken und sie nicht um 70 Milliarden zu erhöhen? Haben Sie nur die erste Hälfte der Ausführungen von Keynes gelesen? Haben Sie die zweite Hälfte von Keynes nicht gelesen? Oder wollen Sie wirklich der siebente Finanzminister in den 30 Jahren der Sozialdemokraten auf diesem Posten sein, der die Staatsschuld weiter in die Höhe treibt und damit weiter die Zukunft unserer Kinder und auch die Zukunft der hier sitzenden, älter werdenden Menschen gefährdet? 70 Milliarden Schilling zusätzliche Verschuldung trotz einer Spitzenkonjunktur, bei rückläufigen Bruttoanlageninvestitionen, bei einer rückläufigen Wirtschaftsförderung – minus ein Fünftel in fünf Jahren. Die Zinsen steigen absolut – trotz eines relativ sinkenden Zinssatzes –, und das bedeutet: 13 000 S an Zinsen pro Kopf der Bevölkerung pro Jahr. Alle Österreicherinnen und Österreicher müssen mindestens 13 000 S an Steuern zahlen, um nur die Zinsen bedienen zu können, für Schulden, die man im Vorgriff auf die Zukunft und wieder auf die Zukunft und wieder auf die Zukunft eingegangen ist.

Meine Damen und Herren! Wir geben zehnmal soviel für Zinsen aus wie für Forschung und Entwicklung – das ist die Wahrheit des Budgets 1999!


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