Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 123

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Wenn ich mir die Diskussion und das Vokabular anhöre, das hier primär gebraucht wird, dann ist von Nachhaltigkeit oder von bäuerlich strukturierter Landwirtschaft allenfalls noch in politischen Floskeln die Rede. In Wirklichkeit aber geht es nur noch um die großen Ströme der finanziellen Mittel; das ist es, was offenbar immer bewegt. Es wundert mich, daß gerade heute nicht angemerkt wird, daß sehr viele der finanziellen Mittel, die in den Bereich der Landwirtschaft fließen, in Wirklichkeit gar nicht mehr bei den einzelnen Bauern und Bäuerinnen ankommen, sondern daß in hohem Maße Strukturen subventioniert werden, die der eigentlichen Produktion, der Primärproduktion nachgelagert sind, sodaß das Geld gar nicht zu denjenigen gelangt, die es wirklich brauchen.

Daher sind in der Begründung der Dringlichen Anfrage die Ausführungen darüber, daß es um Fairneß gegenüber einer Berufsgruppe geht, die schon jetzt unterdurchschnittliche Einkommen hat und dafür überdurchschnittliche Leistungen erbringt, ein vorgeschobenes Argument. Es ist deshalb ein vorgeschobenes Argument, weil wir in dem Unterausschuß hier im Hause, in dem es um die Förderungen im landwirtschaftlichen Bereich geht, bisher nicht einmal darüber diskutiert haben, wie die großen Linien der Förderung aussehen sollen. Dort gehen die Verhandlungen immer nur so vor sich, wie es heute hier geschieht: Kommen die Kalbinnen dort dazu, oder sollen wir eher bei der Milchquote irgend etwas machen? – Es geht immer nur um die einzelnen spezifischen Punkte und nicht darum, worin in diesem Bereich der große Ansatz besteht.

Solange das nicht geschieht, wird die Debatte immer eine Diskussion der Technokraten sein, eine Diskussion derjenigen, die sich ohnehin schon aus den Kammergremien kennen, die sich daher auch im Unterausschuß dieses Hauses über die Neuordnung der landwirtschaftlichen Förderungen grundsätzlich nur mit Vornamen anreden und sagen: "Wie ich dir schon letztens bei der Diskussion in der Kammer gesagt habe ...". – Aber wir gehen damit an den großen politischen Linien völlig vorbei, und so sieht die Landwirtschaftspolitik auch aus.

Meine Damen und Herren! Wenn hier gesagt wird, die Landwirtschaftspolitik sei ein nationales und nicht bloß ein bäuerliches Anliegen, dann ist daraus auch klar ersichtlich, daß mittlerweile eher die Funktionäre in Not kommen und weniger die Bauern. Denn die Situation in der Landwirtschaft ist seit Jahren dieselbe, die Tendenzen in der Landwirtschaft sind seit Jahren nicht umgekehrt worden, und es ist auch nicht so, daß jene Verschärfungen, die sich durch den EU-Beitritt ergeben haben, nicht schon vor dem EU-Beitritt zu sehen gewesen wären. Man ist sehenden Auges in die neue, verschärfte Wettbewerbssituation hineingegangen, und das Versäumnis – dafür ist von der Regierungskoalition Verantwortung zu übernehmen – besteht darin, daß es nicht gelungen ist, die Strukturen in Österreich entsprechend anzupassen.

Wenn Sie, Herr Abgeordneter Schwarzenberger, hier ausrufen, daß wir einen gesunden Bauernstand brauchen, dann haben Sie das offenbar bildlich gemeint. Denn es steht fest, daß, wenn es wirklich um die Gesundheit geht, die Gesundheit von Bäuerinnen die schlechteste unter allen Berufsgruppen im Lande ist. Das hat sich seit Jahren nicht geändert, es ist eher schlechter geworden. Was Sie aber gemeint haben, ist, daß wir wettbewerbsfähige Strukturen brauchen. Wenn wir wettbewerbsfähige Strukturen brauchen, dann müssen wir klar sagen, worin das zentrale Problem in der Landwirtschaftspolitik besteht.

Das zentrale Problem in der Landwirtschaftspolitik ist nach wie vor die Überproduktion, meine Damen und Herren. Die Überproduktion im landwirtschaftlichen Bereich ist das zentrale Problem, ja sie ist sogar jenes Problem, das diese Tendenz nach unten auf dem Weltmarkt überhaupt erst eingeleitet hat. Das war ja nicht etwas, was nicht auch zum Beispiel durch die Subventionspolitik der Europäischen Union verschärft worden wäre, wir werden nur jetzt – quasi verschleppt – von den Folgen eingeholt. Daher muß auch hier vom Pult aus – das sage ich in Richtung des Herrn Abgeordneten Gradwohl; es gilt auch für die ÖVP, aber er hat es besonders herausgestrichen – nicht nur von der Agrarpolitik geredet werden, sondern es muß einerseits von der Agrarmarkt politik geredet werden und andererseits von der Agrarstruktur politik.

Klar ist, daß Herr Abgeordneter Gradwohl nicht behaupten kann, daß die Chancen für die Umsetzung, speziell etwa für die Agrarstrukturpolitik, günstig wären. Er hat gesagt, sie sind gut, und hat dann aus der APA zitiert, aber wahr ist, meine Damen und Herren, daß sie nicht gut sind. Ich


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