Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 190

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Die ÖsterreicherInnen haben für diese Konsolidierungsmaßnahmen, möglicherweise – das gebe ich schon zu – mit zusammengebissenen Zähnen, aber doch Verständnis aufgebracht. Reale Einkommensverluste sind hart. Und auch wenn das Sparpaket alle Bevölkerungsschichten getroffen hat, muß ich feststellen, daß die größten Opfer wieder einmal die unteren Einkommensschichten, in denen sich überdurchschnittlich viele Frauen befinden, gebracht haben. Wer nämlich mit wenig Geld haushalten muß, den schmerzt der Verlust von 100 S, die er oder sie fürs tägliche Leben benötigt, weit mehr als einen Spitzenverdiener der Verlust von 1 000 S, die ihm halt vielleicht beim Aktienkauf fehlen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben derzeit in Österreich den höchsten Beschäftigungsstand, den es je gegeben hat, und er steigt weiterhin. Trotzdem nimmt die Arbeitslosigkeit nicht ab. Einer der Hauptgründe dafür ist, daß viele Frauen von der Hausarbeit weg auf den Arbeitsmarkt drängen. Viele dieser Frauen wollen nicht einfach dem Luxus frönen, wie manche nicht selten wohlbetuchte Zyniker meinen, sondern sie sind schlicht und einfach von Armut bedroht.

Bei uns in Tirol wurde erst vor kurzem im Auftrag der Tiroler Landesregierung und des ÖGB-Tirol eine Studie über Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit und Armut in Tirol veröffentlicht. Diese sogenannte "Armutsstudie" hat für sehr viel Aufsehen gesorgt, weil darin festgestellt wird, daß TirolerInnen, die weniger als 9 750 S Einkommen verdienen, potentiell armutsgefährdet sind. Etwa 37 000 Haushalte, das sind 15 Prozent aller Haushalte Tirols, sind demnach von Armut bedroht.

Diese Zahlen gelten mehr oder weniger für ganz Österreich, weil Tirol zwar nicht das reichste, aber auch nicht das ärmste Bundesland ist, also im Durchschnitt liegt. Pharisäer, die teilweise selber Hunderttausende, wenn nicht Millionen Schilling Einkommen haben, verteufelten diese Studie. So meinte ein Funktionär – ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es war ein Funktionär von der Industriellenvereinigung –, daß viele mit 5 000 S glücklich und zufrieden leben könnten, so nach dem Motto: Arm, aber glücklich. – Das empfinde ich in Anbetracht der teilweise extremen Mietpreise und der hohen Lebenshaltungskosten in unserem Land als blanken Zynismus!

Für mich ist klar, daß Frauen aus solchen Einkommensschichten auf den Arbeitsmarkt drängen müssen, aber – das möchte ich hinzufügen – auch anderen Frauen, die vielleicht nicht berufstätig sein müssen, es aber gerne sind, soll dies erlaubt sein. Heutzutage ist es der große Wunsch, vor allen Dingen der jüngeren Frauen, Beruf und Familie vereinen zu können, und dafür ist die Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen vonnöten, wobei es sich vor allen Dingen um Kinderbetreuungseinrichtungen handelt.

Daher freut es mich besonders, daß die Aktion der sogenannten Kindergartenmilliarde – also 600 Millionen Schilling, die vom Bund vorgestreckt werden, und weitere 600 Millionen Schilling, die die Länder beitragen – mit diesem Budget fortgesetzt wird. Das bedeutet wieder um zirka 17 000 bis 20 000 Kinderbetreuungsplätze mehr. Durch diese weitere Initialzündung des Bundes wird so etwas wie ein flächendeckender Kinderbetreuungsplatzausbau gewährleistet, und zwar – und das ist auch wichtig – der Ausbau bedarfsgerechter Kinderbetreuungsplätze für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr und auch nach der Einschulung, in der Volksschule, weil dann die Probleme erst richtig beginnen.

Für alle, aber speziell für Frauen ist eine aktive Beschäftigungspolitik, wie sie in diesem Budget vorgesehen ist, äußerst wichtig. Auch wenn die Österreicher laut einer jüngst veröffentlichten "Spectra"-Umfrage noch pessimistisch sind und viele – ich hoffe, fälschlicherweise – glauben, daß es mit der Wirtschaft demnächst abwärtsgehen wird, wird die jetzt schon im europäischen Durchschnitt sehr niedrige Arbeitslosigkeit in Österreich von derzeit 4,5 Prozent im nächsten Jahr nach den Prognosen der Forschungsinstitute erstmals seit langem leicht abnehmen. Die Beschäftigungsimpulse der Regierung werden das Ihrige dazu beitragen.

Daß für Ausbildung, Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung mehr Geld zur Verfügung steht, ist eine wichtige Investition in die Zukunft und zeigt, daß nach den sogenannten Sparpaketen nun doch wieder Spielraum im Budget vorhanden ist.


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