Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 60

Gentechnik veränderte Lebensmittel dieses Etikett auch tragen, beschlossen haben. (Zwischenrufe. - Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang einen Brief Ihres Landeshauptmannes in Oberösterreich Dr. Josef Pühringer vorlesen, den Sie ebenso erhalten haben wie ich als Abgeordnete hier im Nationalrat. In diesem Brief weist er darauf hin, daß in der Resolution des Oberösterreichischen Landtages eine Kennzeichnung gentechnischer Veränderungen bei Saatgut, Futtermittel und Lebensmittel sowie die Schaffung eines österreichweiten Gütesiegels für Gentechnikfreiheit bei Lebensmitteln gefordert wurden.

Sogar die Landtage sind schon weiter als Sie hier im Parlament! Sie sind noch nicht so weit wie die Forderungen des Volksbegehrens. Es gibt da eine demokratiepolitische Kaskade. Was ich anfangs gesagt habe, möchte ich zum Schluß noch einmal unterstreichen: Insgesamt ist die Vorgangsweise, die in diesem Sonderausschuß im Zusammenhang mit dem Gentechnik-Volksbegehren eingeschlagen wurde, wirklich ein Skandal! Das zeugt von einem demokratiepolitischen Absturz und vor allem von einem Kniefall gegenüber der Gentechnik-Lobby! (Beifall bei den Grünen.)

11.58Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. - Bitte.

11.58Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Gentechnik ist ein relativ neuer biotechnischer Zweig der Wissenschaft und läßt wenige kalt. Die Möglichkeit, in die kleinsten Bausteine des Lebens eingreifen zu können, erweckt Gefühle wie Angst, Hoffnung, Faszination, aber auch Fluchtreflexe. Ein Teil der Ängste beruht sicherlich auf dem Wort "Gen". Erinnerungen an die Eugenik des Dritten Reichs mit den fürchterlichsten Auswirkungen in der Menschheitsgeschichte werden wach.

Über 1,2 Millionen Menschen, zirka 21 Prozent der Wahlberechtigten, unterstützten das Gentechnik-Volksbegehren, jedoch rund vier Fünftel der Wahlberechtigten, zirka 4 Millionen Menschen, unterschrieben nicht. Ob es sich um ein Votum dagegen, mangelndes Interesse oder zu geringe Mobilisierbarkeit handelt, ist nicht festzustellen.

Daher war es unmöglich, das Volksbegehren eins zu eins umzusetzen, denn es sind auch die Meinungen von 4 Millionen Menschen zu berücksichtigen. Nicht alle üben die direkte Demokratie mittels Volksbegehren aus, vielen genügt die repräsentative Demokratie mittels Votum bei den Wahlen. Daher ist es unzulässig, mangelndes Demokratieverständnis bei denen zu orten, die nicht alle Forderungen erfüllen.

Ich stimme denjenigen zu, die behaupten, die Ungefährlichkeit der Gentechnik sei nicht bewiesen - aber ebensowenig ist deren Gefährlichkeit gesichert. Die Objektivität mancher Wissenschafter wird angezweifelt, und Lobbyismus wird ihnen vorgeworfen. Es wird gefragt: Sollten nicht gerade die Wissenschafter vom Forum österreichischer Wissenschaft für den Umweltschutz in den Gentechnik-Ausschuß nominiert werden, um Ansichten der Gentechnikgegner zu vertreten? - Eine einheitliche wissenschaftliche Aussage gibt es zu keinem Thema; wir müssen unsere Meinungen aus kontroversiellen Erkenntnissen und Erfahrungen bilden. Politiker müssen zukunftsorientiert den größten gemeinsamen Nenner der Bedürfnisse der Menschen finden.

Zu den drei Forderungen, zunächst zur Forderung "Kein Essen aus dem Genlabor!", weil man Langzeitschäden nicht ausschließen könne: Persönlich teile ich diese Ängste nicht. Wenn ich mir als gesunder Mensch gentechnisch manipulierte Impfstoffe einbringe, erschrecken mich auch gentechnisch hergestellte Nahrungsmittel nicht. Heute stellen wir die Gentechnik in der Medizin außer Zweifel. Aber wie war es vor zehn Jahren bei uns und vor zirka 25 Jahren bei den führenden Wissenschaftern in anderen Staaten?


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