Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 118. Sitzung / 106

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe Ihre Unruhe. Glauben Sie mir, ich sehe das nüchtern. Ich selbst bin enttäuscht, lassen Sie mich das bitte sagen.

Aber noch etwas muß ich Ihnen sagen: Ich habe noch sehr gut die Worte des Ersten Nationalratspräsidenten Fischer im Ohr, die er aus Anlaß des Gedenktages der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen gesprochen hat. Ich will überhaupt keine Parallelen ziehen. Dabei handelt es sich um den furchtbarsten Völkermord, der jemals passiert ist. Aber ich habe die Worte des Präsidenten Dr. Fischer noch im Ohr, der von der "Einzelbiographie" jedes Österreichers, jeder Österreicherin in der damaligen Zeit sprach. Diese Version der Einzelbiographie, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nichts anderes - Herr Präsident Fischer, ich glaube, ich zitiere Sie richtig - als eine Anerkennung der sogenannten Individualschuld. Einzelbiographie meint die individuelle Verantwortung.

Die Causa Rosenstingl ist eine individuelle Verantwortung, ein Kriminalfall, aber kein politischer Fall. (Heftiger Widerspruch bei SPÖ und ÖVP. - Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde Ihnen beweisen, daß da kein politischer Zusammenhang besteht, und wenn Sie noch ein Restvertrauen in die Justiz haben, meine Damen und Herren von der SPÖ, ein Restvertrauen in eine Justiz, die von einem Minister Ihrer Wahl letztlich geführt oder mitgestaltet wird, dann werden Sie mir recht geben.

Meine Damen und Herren! Es gab, wie man den Ausführungen des Herrn Bundesministers entnehmen konnte, Anzeigen im vergangenen Jahr, im Jahre 1997, der Erste Bank AG und eines sogenannten Anonymus, eine anonyme Anzeige. Im Jahre 1997! Es gab weitere Anzeigen im Jahre 1998, und es gibt bis heute - schauen Sie sich die Bundesverfassung an!; Herr Bundesminister, Sie werden mir recht geben - keinen Antrag auf Auslieferung des Kollegen Rosenstingl. Es gibt einen Haftantrag, das ist der Fall der außerberuflichen Immunität. Jeder Abgeordnete, ob er eine Malversation hier herinnen oder sonstwo begangen hat, außerberuflich oder beruflich, darf ohne Zustimmung des Nationalrates nicht verhaftet werden. Aber es gibt keinen Antrag auf Auslieferung. Das ist nur dann möglich, Herr Bundesminister, wenn das Gericht, wenn die Sicherheitsbehörden keinen Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit sehen. Also für mich ist das der Beweis, daß bis zum heutigen Tag kein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit besteht, denn sonst wäre zweifellos der Antrag auf Auslieferung gestellt worden. (Abg. Wabl: Der Stadler hat den Antrag gestellt!)

Der Herr Verfassungsrechtler Professor Khol wird mir in dieser Interpretation recht geben, wobei ich Ihnen aber eines sage: Ich habe vollstes Verständnis dafür, daß Sie versuchen, da einen politischen Zusammenhang zu konstruieren. Aber ich sage noch einmal: Wenn Sie der unabhängigen Justiz vertrauen, dann werden Sie mir recht geben, daß nach unserem heutigen Wissensstand kein wie immer gearteter politischer Zusammenhang gegeben ist, eben weil kein Antrag auf Auslieferung an den Nationalrat gestellt wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fall Rosenstingl ist ein Kriminalfall. Es stellt sich die Frage, wie man damit von politischer Seite und von seiten der Klubkollegen umzugehen hat. Da wurden meines Erachtens alle Maßnahmen ergriffen, die zu Gebote gestanden sind. Es wurde aus den eigenen Reihen, meine Damen und Herren, sofort eine umfassende Sachverhaltsdarstellung des Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibender an die Staatsanwaltschaft erstattet.

Es wurden auch, obwohl kein politischer Zusammenhang bis zur heutigen Stunde vorliegt, vorläufige politische Konsequenzen gezogen, und diese politischen Konsequenzen wurden in einer vorbildhaften Art und Weise gezogen, was sogar der Herr Kollege Peter hier zugegeben hat. Das ist der Unterschied! Kollege Cap hat heute gesagt, in ein paar Tagen oder in ein paar Wochen werden wir sagen: Rosenstingl, wer war das?

Nein, Herr Kollege Cap! Das werden wir nicht sagen. Wir werden sagen: Er war ein Kollege von uns, und wir haben uns schwer in ihm getäuscht, er hat leider wahrscheinlich - bei aller Unschuldsvermutung! - eine kriminelle Energie! Wir haben ihn gekannt, aber wir mißbilligen seine


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