Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 125. Sitzung / Seite 93

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher habe ich auch nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich die Phase der Jahre 1996 bis 1999 budgetär als eine Einheit betrachtet habe, die darin bestand, eine gesellschaftspolitisch verträgliche und durchaus erfolgreiche Konsolidierung in der ersten Phase einzuleiten und diese in der zweiten Phase zu stabilisieren. Es sollten jene Möglichkeiten geschaffen werden, die erforderlich sind, um im Jahre 2000 mit einer Steuerreform auch jene strukturellen Probleme angehen zu können, die wir angehen müssen, um als aktives Mitglied des gemeinsamen europäischen Währungsraumes gestaltend mitwirken und die Chancen und Herausforderungen, die es anzunehmen gilt, bewältigen zu können.

Als die Diskussion aufgetaucht ist, wie groß denn der Handlungsspielraum der Steuerreform 2000 sein werde, habe ich sehr deutlich gesagt, daß es sich um keinen exorbitanten handle. Eine Steuerreform ist nicht ausschließlich danach zu beurteilen, in welcher Quantität es Tarifveränderungen gibt – obwohl ich sie auch für wichtig halte –, sondern Steuerpolitik ist auch ein wirtschaftspolitisch strukturelles Lenkungsinstrument. Es ist eigentlich ein gestaltendes Element. Steuerpolitik ist nicht nur das Instrument, durch das der Finanzminister stellvertretend für die Steuerzahler Geld bekommt, sondern es bietet die Möglichkeit, dort Veränderungen vorzunehmen, wo sie in Anbetracht des internationalen Wettbewerbs nötig sind.

Natürlich müssen wir das klug und geschickt machen, denn eines ist auch klar: Sich nur hinzustellen – wie ich das oft bei Steuerdiskussionen höre –, Ideen zu haben, was wir alles an Tarifen senken könnten, aber keine Antworten zu geben, welche Ausgaben dann zu kürzen wären, ist wenig produktiv. Ausgabenkürzungen werden oft nur in jenen Bereichen vorgeschlagen, in denen sich Reformen nur sehr langfristig auswirken. Es nützt mir nichts, wenn jemand sagt, die österreichische Verwaltung koste sehr viel Geld, hier müsse etwas geschehen – wobei man sagen muß, daß in diesem Bereich schon sehr viel geschehen ist –, und die Struktur unserer Verwaltung dergestalt ist, daß jede Veränderung budgettechnisch eine sehr mittelfristige Auswirkung hat. Man kann daher keine Spielräume durch eine Verwaltungsreform erreichen, die sich budgettechnisch in den nächsten ein oder zwei Jahren niederschlagen. Und das weiß auch jeder, der sich hier herstellt und sagt, die Verwaltungsreform sei durchzuführen, und damit wäre alles gelaufen. Da muß man schon ein bißchen realistischer und auch ein bißchen kreativer sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube auch, daß die Frage der Harmonisierung der europäischen Steuerpolitik – und das ist angesprochen worden – ein ganz wichtiger Bereich ist. Ich meine, daß in den letzten Jahren in Europa etwas gelungen ist, was manche vor wenigen Jahren noch für unmöglich gehalten haben, nämlich die Haushalte von immerhin elf europäischen Staaten – man denke nur daran, wie diese 1994 völlig auseinandergefallen sind! – in eine bestimmte Konvergenz zu bringen. Man hat dadurch erreicht, daß ein ganz großer innerer Störfaktor, nämlich die Wechselkursirritationen, im Bemühen, diesen europäischen Wirtschaftsraum zu einem starken, einem wettbewerbsfähigen zu entwickeln, zum Verschwinden gebracht wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das wird in naher Zukunft für einen großen Bereich der europäischen Länder Vergangenheit sein.

Jetzt muß man mit genau derselben Sachlichkeit, mit derselben klugen Überlegung der zweiten Irritation des europäischen Marktes auf den Leib rücken, nämlich dem unfairen Steuerwettbewerb – aber nicht nur dem unfairen, sondern auch dem fairen Steuerwettbewerb! Unfairer Steuerwettbewerb besteht dort, wo man steuerliche Oasen schafft, um einander irgendwelche Investoren wegzulocken. Es gibt aber auch einen fairen Steuerwettbewerb. So ist es beispielsweise nicht akzeptabel, daß man zur Kenntnis nimmt, daß es möglicherweise in Europa ein Land gibt, das 3 oder 4 Prozent seines BIP aus Mitteln der Union bekommt und überlegt, die Körperschaftssteuer auf 12 Prozent zu senken. Das wäre zwar ein fairer, aber nicht sehr redlicher Steuerwettbewerb, wenn man den Gesamtraum als Einheit betrachtet und wenn wir wollen, daß in allen Bereichen dieses europäischen Währungs- und Wirtschaftsraumes Chancengleichheit besteht. Wir müssen diese Wettbewerbskraft gemeinsam entwickeln, um Europa jene Voraussetzungen zu geben, die es im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb der Zukunft in seiner inneren Kraft so stark werden lassen, daß es diese zukünftigen Herausforderungen bestehen kann.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite