Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 133. Sitzung / Seite 49

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ten. Denn dort ist die Verschmelzung der Europäischen Union mit der Westeuropäischen Union vorgesehen und damit eine klare Perspektive gegeben, der dieses Hohe Haus in absehbarer Zeit, früher oder später, die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen wird.

Diese europäische Friedensordnung ist eine weitere Aufgabe. Nach der Wirtschafts- und Währungsunion für die politische Union ist die europäische Friedensordnung die Hauptaufgabe, an der wir jetzt zu arbeiten haben. Und wir sollten uns vor Illusionen und Irrtümern hüten und eine ehrliche Politik machen.

Es ist eine Illusion, zu glauben, daß es die Neutralität, wie wir sie 1955 beschlossen haben, die klassische Neutralität, noch gibt. 1954 wurde die klassische Neutralität – nachzulesen in jedem Lehrbuch des Völkerrechtes – so verstanden, daß der UNO-Beitritt eines Neutralen ausgeschlossen war. – Wir sind beigetreten.

1957 hat das gleiche klassische Völkerrechtslehrbuch gesagt: Ein Neutraler kann nicht an Zwangsmaßnahmen der Vereinten Nationen mitmachen. – Wir haben an solchen Zwangsmaßnahmen mitgearbeitet, die klassische Neutralität war beendet.

Noch 1990 wäre es nicht möglich gewesen, Wirtschaftssanktionen gegen einen Rechtsbrecher, wenn diese von der UNO verhängt werden, mitzutragen, denn die klassische Neutralität hat das damals ausgeschlossen. – Wir haben natürlich Überflugsrechte gegeben, wir haben Waffentransporte, Panzertransporte durch Österreich ermöglicht, und wir haben natürlich voll an Wirtschaftssanktionen teilgenommen. (Abg. Scheibner: Und jetzt?)

All das zeigt doch ganz deutlich, daß die Neutralität des Jahres 1955 heute eine völlig andere ist als damals, eine differenzierte Neutralität. Und wir haben im Rahmen der Vereinten Nationen schon lange das Abseitsstehen in der Neutralität durch das Mitmachen in der Solidarität ersetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es verlangt die Ehrlichkeit, daß wir das unseren Mitbürgern sagen. Der Amsterdamer Vertrag ist ja nur die Anwendung des gleichen Prinzips im europäischen Maßstab, was wir weltweit machen: Solidarität üben gegen Rechtsbrecher, Frauenvergewaltiger, Kindertöter. Amsterdam macht es möglich, wenn die zuständigen Gremien, die zuständigen Organe der Republik es beschließen, daß wir auch da Solidarität üben. Und wir von der Volkspartei glauben, daß man diese differenzierte Neutralität unseren Mitbürgern klar vor Augen führen muß. Die alte, klassische Neutralität steht in der Tat im Tabernakel, sie steht in der Schatzkammer der Republik; wir können sie dort bewundern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Cap.  – Abg. Scheibner: Also steht sie doch im Tabernakel!)

Meine Damen und Herren! Wir müssen auch ehrlich gegenüber der NATO sein. Hier wird von manchen ein Popanz vorgestellt, ein Bündnis, eine Militärallianz, ein Kriegsorgan. In Wirklichkeit – davon haben sich ja die Abgeordneten, die letzte Woche dort waren, überzeugen können – ist sie eine Organisation des Krisenmanagements, eine Organisation der Krisenverhütung. Und ich halte es immer noch mit Prinz Eugen: Si vis pacem, para bellum. – Wenn du den Frieden willst, mußt du eine Politik der Stärke führen; so möchte ich sinn- und zeitgemäß übersetzen.

Daher konnte der Vizekanzler sagen: In 50 Jahren hat es in der Welt 200 Kriege gegeben, aber keinen einzigen auf unserem Kontinent. Ich glaube, das ist eine Friedensbilanz, die wir unterstützen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wäre auch eine Illusion, es wäre unehrlich, zu sagen: Warten wir doch auf eine europäische Organisation! Ja, meine Damen und Herren, glauben Sie wirklich, daß angesichts all dessen, was an Volksvermögen der Vereinigten Staaten, Kanadas, der anderen NATO-Mitglieder in den Aufbau der stärksten Infrastruktur überhaupt zum Zwecke des Krisenmanagements investiert wurde, Europa jetzt auch Billionen Dollarbeträge verwenden sollte, um eine Parallelaktion zu machen? Solche Parallelaktionen – wer den "Mann ohne Eigenschaften" von Musil gelesen hat, weiß das – waren nie erfolgreich.


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