Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 137. Sitzung / Seite 41

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frei –, immerhin gekommen ist: daß man vielleicht über sozial gestaffelte Selbstbehalte bei den festen Zahnersätzen reden sollte.

Und das hat ja seinen Grund. Denn diese unselige Diskussion, in der sich zwei über einen Gesamtvertrag streiten, findet über etwas statt, wofür der eine ohnehin nichts zahlt. Das ist nämlich ganz wichtig: Die Sozialversicherungsträger zahlen nichts für den festen Zahnersatz. Sie zahlen ihren Patienten nichts dafür! Sie zahlen nichts dafür, wollen aber einen Vertrag mit den Ärzten haben, die Leistungen erbringen, für die die Sozialversicherungsträger nichts zahlen. Und das ist schwierig.

Sie haben dieses Thema an die Öffentlichkeit gezerrt, und jetzt stellt sich folgendes heraus: Wir haben hier einen Offenbarungseid erlebt, der erkennen läßt, daß der Sozialversicherungsanspruch, alle medizinisch indizierten Leistungen über die Sozialversicherung auch tatsächlich zu decken, hinsichtlich der festen Zahnersätze in der medizinischen Philosophie der fünfziger Jahre steckengeblieben ist. Denn jeder ernstzunehmende Arzt wird Ihnen sagen, daß selbstverständlich ein fester Zahnersatz im Regelfall die vernünftigste medizinische Lösung für das Problem eines Menschen ist, der sonst nicht mehr ordentlich beißen kann. Nur unsere Sozialversicherungsträger meinen, das kann auch ein klappriges Gebiß im Wasserglas bewerkstelligen. Und ich bin der Meinung, das ist eine Schande! Das ist ein Offenbarungseid.

Jetzt gebe ich schon zu, Frau Kollegin Reitsamer: Das ist leicht gesagt von der Oppositionsbank aus, ohne zu erwähnen, daß das teuer wäre. Das ist richtig, das räume ich Ihnen ein. Wir haben uns auch gegen die 50 S Krankenscheingebühr gewehrt, aber nicht sosehr wegen der 50 S als wegen der Form der Einhebung. Bei den Pensionisten haben Sie die Krankenversicherungsbeiträge ja angehoben, denn da sind Sie draufgekommen, daß man bei den Pensionisten die Krankenscheingebühr nicht einheben kann, da sie keinen Arbeitgeber mehr haben. Sie haben die Krankenscheingebühr überhaupt nur deswegen eingeführt, weil Sie in den Wahlen versprochen haben, die Sozialversicherungsbeiträge nicht anzuheben. Weil Sie sie trotzdem anheben mußten, haben Sie den "Bypass" gewählt, die Krankenscheingebühr einzuführen. Das ist ja in Wirklichkeit ein linearer Selbstbehalt bei den Leuten, die krank sind. Die Krankenscheingebühr ist ein linearer Selbstbehalt, wenn man das ordentlich etikettiert.

Warum greifen Sie den Sallmutter-Vorschlag eines sozial gestaffelten Selbstbehaltes bei den festen Zahnersätzen nicht auf? Nur aus Bestemm? Dann hätten Sie nämlich einen Mechanismus, den Leuten, die sich auch die 5 000-S- oder die 6 000-S-Krone nicht leisten können, einen festen Zahnersatz über den Sozialversicherungsträger finanzieren zu können. (Abg. Silhavy: Und die gehen dann mit dem Preis hinauf!) Dann hätten Sie einen Anspruch, mit den Zahnärzten über den Preis zu verhandeln, wenn Sie etwas dazuzahlen. Verstehen Sie mich? Das ist es nämlich, was mich so aufregt.

Ich bin ja auch der Meinung, daß es teilweise überhöhte Phantasiepreise gibt – das spreche ich Ihnen ja gar nicht ab –, aber das soziale Problem, das ich habe, ist nicht, daß sich ein mittelloser Mensch die 30 000-S-Krone nicht leisten kann, sondern daß sich ein mittelloser Mensch auch die 5 000-S-Krone nicht leisten kann. Das ist das sozialpolitische Problem. Der kann sich eine Krone überhaupt nicht leisten.

Daher wäre es – ich erinnere Sie an die gestrige Ausschußdebatte, Kollege Stummvoll und einige andere haben genickt – sinnvoll, nachdem sich alles wieder beruhigt hat, einmal ordentlich über die Frage zu diskutieren, ob es nicht Bereiche in der medizinischen Leistungspalette gibt, wo ein sozial gestaffelter Selbstbehalt das Problem lösen kann, daß wir natürlich nicht beliebig Krankenversicherungsbeiträge anheben können oder wollen, weil sich das wieder in den Lohnnebenkosten niederschlägt und außerdem die Nettolöhne reduziert, was unerfreulich ist – darin sind wir uns ja alle einig –, daß es aber nicht solidarisch ist, den Leuten zu sagen: Wenn ihr ordentliche Zähne haben wollt, dann zahlt sie euch gefälligst selber, es sind eh nur 5 200 S oder 6 200 S. Denn für jemanden, der zum Beispiel 8 000 S Ausgleichszulagenpension hat, sind das immerhin 60 oder 67 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. ) Das ist schon okay, aber diese Gnadenhalber-Dinge gefallen mir weniger gut. Ich bin der Meinung, es sollte ein Anspruch sein, denn das Versicherungsprinzip wird sonst ausgehöhlt.


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