Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 138. Sitzung / 111

Sie denn das so normal, so gewöhnlich, so richtig, daß wir uns in einer Situation befinden, in einer Zeit leben, in der solches geschehen kann, in der unter Gefährdung des Lebens Menschen unter Druck gesetzt werden, Arbeiten zu verrichten oder auch Unfälle nicht zu melden oder auch Informationen nicht weiterzugeben, die notwendig gewesen wären und auch notwendig sein werden? Finden Sie das alles so richtig, daß Sie sich darüber hinwegsetzen können und sagen können: Das interessiert uns nicht, das untersuchen wir nicht? Ich denke beziehungsweise ich bin mir ziemlich sicher, daß das eintreten wird, was Kollege Nürnberger gesagt und was er – wie leise durchgeklungen ist – befürchtet, nämlich daß die Ereignisse Sie überrollen werden und daß Sie früher oder später einem Untersuchungsausschuß zustimmen werden müssen. (Beifall bei den Grünen.)

14.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.54

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ein Zitat von Christian Morgenstern, der sagt, daß es für Unzählige nur ein Heilmittel gibt – das ist die Katastrophe. Ich frage Sie: Wie viele Katastrophen braucht unser Land denn eigentlich noch? Und wie viele hatten wir bereits? Denken wir an Tschernobyl, denken wir an die Vermurungen in Osttirol, denken wir an die Giftgasexplosion im Linzer Chemiewerk, denken wir an das, was wir heute diskutieren, an Lassing.

Bei Tschernobyl reagierte die Behörde, wie hinlänglich bekannt, viel zu spät. In den ersten zwei Tagen passierte überhaupt nichts, es gab keine Frühwarnung, nicht einmal dann, als die Grenze des radioaktiven Jods bereits die Normalgrenze der deutschen Strahlenschutzgesellschaft überschritten hatte.

In Osttirol fürchteten sich die Bewohner seit dem Murenabgang im Jahre 1995 und mißtrauten allen Beruhigungsversuchen. Zwei Jahre später, zwei Jahre nach dem ersten Murenabgang, kam es zum zweiten "Jahrhundertereignis" innerhalb von zwei Jahren.

Im Chemiewerk Linz ging die Bevölkerung nur ganz knapp an einer Katastrophe vorbei, und der Steyrer Bürgermeister sagte dazu, der Alarmplan habe nicht funktioniert.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie nun: Was haben wir – und das ist eine Frage, die wir alle, aber vor allem Sie mir beantworten müssen – aus diesen Unglücksfällen wirklich gelernt?

Ich möchte Ihnen eine Broschüre, die alle Abgeordneten Mitte des letzten Jahres erhalten haben, zeigen: Es ist die Broschüre der Österreichischen Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik. Sie hat den Titel "Staatliches Krisenmanagement in Österreich". Ich zitiere Ihnen den ersten Absatz aus dem Vorwort dieser Broschüre: Die Kernkraftwerkskatastrophe von Tschernobyl brachte auch in Österreich ein Umdenken auf dem Gebiet des Zivil- und Katastrophenschutzes. – Ein Umdenken! – Vor allem die Notwendigkeit des koordinierten Vorgehens auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung sowie einer umfassenden Information wurde augenscheinlich. (Abg. Haigermoser: Aus welchem Jahr war das?) Aus dem Jahre 1997.

Meine Damen und Herren! Es ist ein Umdenken erfolgt. Kernstück dieses Krisenmanagements ist der sogenannte Koordinationsausschuß. Dieser Koordinationsausschuß wiederum ist ein Team von Experten, das im Anlaßfall die Krisensituation analysiert, die Bundesregierung berät und den Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsstellen sicherstellt. Na gut, das wäre doch endlich eine Konsequenz aus den ganzen Katastrophen, die ich Ihnen aufgezeigt habe. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Was sagt uns denn nun der Bundeskanzler zu diesem Thema anläßlich der Katastrophe Lassing? – Er sagt, er will ein neues und besseres Krisenmanagement. Er will es für Österreich,


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