Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 139. Sitzung / 115

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir gehen in die Debatte ein. Nach der Geschäftsordnung hat jeder Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten. Die individuelle Redezeit ist mit 10 Minuten beschränkt.

Als erster ist Herr Abgeordneter Peter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.45

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es stimmt: Wir stehen vor beträchtlichen Herausforderungen. Nur, Herr Staatssekretär, wir leben offensichtlich in zwei unterschiedlichen Ländern. Ich weiß nicht, von welchem Land Sie soeben berichtet haben. Es handelt sich scheinbar um das Land, wie es die Regierung "von oben" sieht. Erlauben Sie mir, den Blickwinkel der Menschen "von unten" einzubringen.

Steuerreform diskutieren Sie unter einem Prätext: "Was’s kost‘ – des kost’s!" – Das stellen wir nicht in Frage. Wenn durch die kalte Progression den Menschen zehn oder 20 Milliarden Schilling über das normale Wirtschaftswachstum hinaus weggenommen werden, dann wird das gnädig wieder verteilt.

Herr Staatssekretär! Kann denn Steuerreform nicht auch heißen, daß Sie ganz klar sagen: Wir stellen die Leistungen dieses Staates mit ihren Kosten in Frage. Sie haben nicht ein einziges Mal gesagt, dieser Staat sei zu teuer.

Sie haben von Verwaltungsreform geredet. – Am Präsidium sitzt Herr Präsident Dr. Neisser. Dieser wurde im Jahre 1986 Minister für Verwaltungsreform im Bundeskanzleramt, und er hat uns genau dasselbe erzählt, was jetzt, 1998, Herr Staatssekretär Ruttenstorfer erzählt. Was glauben Sie denn, wie lange wir Ihnen das noch glauben werden? Welche Glaubwürdigkeit haben Sie? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Seit 12 Jahren wird in der großen Koalitionsregierung von Steuerreform geredet, seit 12 Jahren wird davon gesprochen, wie die Verwaltung abgeschlankt wird. Faktum ist, daß die Pragmatisierungen gestiegen sind, seit Sie in Amt und Würden sind, und Sie zusätzlich noch 6 000 Teilzeitarbeiter eingestellt haben, die Sie jetzt als Sachaufwand und nicht unter Personalaufwand verbuchen.

Wo haben Sie denn die Effizienz Ihres Staatswesens gesteigert? Das ist doch der Punkt! Es geht nicht um die Leistungskürzung, es geht um mehr Kundenorientierung dieses Staates, um die genaue Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger. Haben Sie denn jemals hinterfragt, ob durch ein Reengineering-government, durch ein New-public-management eine vollkommen neue Form der staatlichen Leistungserbringung möglich ist?

Sie haben heute das Wort Drittvergleich in den Mund genommen. Herr Staatssekretär! Ich gratuliere Ihnen! Der Drittvergleich zeigt, daß in Österreich bei Bund, Länder, Gemeinden – Lehrer, alle zusammen – 21 bis 22 Prozent aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst tätig sind. Österreich ist ein funktionierender Staat, das stimmt doch! Die Schulen funktionieren, die Ämter funktionieren, die Bezirkshauptmannschaften funktionieren, die Polizei funktioniert, die Justiz – alles funktioniert; einverstanden, aber, Herr Staatssekretär, zu welchen Kosten? Warum schaffen das die Deutschen mit nur 16 öffentlich Bediensteten pro 100 Beschäftigten?

Wieso besagt eine Studie des Herrn Prof. Schneider aus Linz, die zwischen Oberösterreich – um auch die Bundesländer einzubeziehen – und Bayern gemacht wurde, daß Oberösterreich im Drittvergleich ein Drittel mehr öffentlich Bedienstete hat als Bayern? Das ist der Drittvergleich, den Sie machen sollten: nicht nur zwischen dem blinden Ministerium A und dem blinden Ministerium B, sondern machen Sie einmal einen Drittvergleich in der Europäischen Union! (Beifall beim Liberalen Forum.)


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