Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 68

alleingelassen. – Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir debattieren hier und heute über ein atomfreies Österreich und über ein möglichst atomfreies Mitteleuropa. Wir Freiheitlichen bedauern sehr, daß vier der anwesenden Parteien in Zukunft einen nicht so harten Kurs gehen wollen, wie das bisher der Fall war. Wir debattieren auch darüber, inwieweit es möglich wäre, AKWs zu schließen, und darüber, daß wir es doch wohl alle nicht haben wollen, daß neue AKWs im Osten gebaut werden. Das muß aber doch bitte auch für Mitteleuropa, und zwar auch für das westliche Mitteleuropa, gelten.

Seit zehn Jahren steht bei uns in Tirol – vor allem in Tirol! – das Gespenst eines neuen AKWs vor der Tür, und zwar des Atomkraftwerks Marienberg. In Bayern, 29 Kilometer von Kufstein und von der österreichischen Staatsgrenze entfernt, gibt es einen geplanten Standort. Seit zehn Jahren ist dieses Projekt in Diskussion.

Bereits 1992 ist es dem freiheitlichen Abgeordneten Dillersberger im Tiroler Landtag gelungen, einen Antrag gegen dieses geplante Atomkraftwerk zu initiieren. Und in den folgenden Jahren sind auch Oberösterreich und Salzburg dieser Intention gefolgt.

Aber nicht nur in Österreich gibt es Initiativen dagegen. Auch auf bayrischer Seite gibt es einige rührige Bürgerinitiativen, die sich im "Aktionsbündnis gegen Atomkraft Rosenheim", AGARO, zusammengeschlossen und ein diesbezügliches Volksbegehren beantragt haben. Und in Tirol, im Bezirk Kufstein, hat es im heurigen Frühjahr, initiiert von einer Bezirkszeitung, eine Unterschriftenaktion gegeben, weil wieder dieses AKW Marienberg zur Sprache gekommen ist. 7 100 Unterschriften konnten in kürzester Zeit im betroffenen Bezirk Kufstein gesammelt werden. Dagegen natürlich!

Es ist in Bayern vor allem die CSU, die – und ich verwende jetzt die Sprache des Aktionsbündnisses gegen Atomkraft – einen "strammen Atomkurs" fährt. Es ist die CSU, die die Option zur Errichtung des neuen Druckwasserreaktors EPR – denn um diesen geht es hier – nicht fallenlassen will und die anscheinend nicht bereit ist, das Projekt Marienberg aus dem Standortsicherungsplan herauszunehmen.

Ich habe daher im Juni dieses Jahres, also vor der bayrischen Landtagswahl, an vier CSU-Abgeordnete in Bayern geschrieben, und zwar an den Herrn Abgeordneten zum Bayrischen Landtag Adolf Dinglreiter, an Frau Abgeordnete Ilse Aigner, an Herrn Abgeordneten Sepp Ranner – beide ebenfalls Abgeordnete zum Bayrischen Landtag – und an Herrn Wolfgang Zeitlmann, Mitglied des Deutschen Bundestages.

Ich habe auf diese Schreiben auch Antworten bekommen. Der Tenor dieser Antworten war einheitlich. Es wurde erklärt, es bestehe weder eine definitive Bau- noch eine definitive Planungsabsicht. Es gebe derzeit Überkapazitäten von 40 Prozent, und vor dem Jahr 2006 sei nicht daran gedacht, in diesem Bereich neue Wege zu beschreiten. Der Succus war auch, daß all die Debatten, die in der letzten Zeit geführt worden seien, jeder Grundlage entbehrten und daß wieder einmal – vor Wahlen eben – nur Panikmache betrieben werde!

Nun sind die bayrischen Landtagswahlen vorbei. Die CSU hat gewonnen. Und ich habe am 1. Oktober der "Tiroler Tageszeitung" folgendes entnommen: AKW Marienberg doch nicht vom Tisch? Der Vorschlag Österreichs, in den Vertragstext der Alpenkonvention das Verbot neuer Atomkraftwerke aufzunehmen, wurde abgelehnt. – Die betreffende Sitzung hat in Laibach, Slowenien, stattgefunden. Es tauchte wieder das Projekt AKW Marienberg bei Rosenheim auf, und laut Herrn Haßlacher, der dort anwesend war, wurde erklärt, die Absage der bayrischen CSU im Frühjahr sei nicht definitiv gewesen – das war also ein Wahlversprechen! –, und nach Aussagen deutscher Verhandler in Laibach sei das Projekt Marienberg keineswegs vom Tisch.

Ich fürchte, es ist einfach zuwenig, uns nur auf die neuen Beitrittsländer und die Aktivitäten in diesen Ländern zu konzentrieren. Ich glaube, es wäre höchste Zeit, daß wir von Bundesseite, von seiten des österreichischen Parlaments, versuchen, auch auf unsere unmittelbaren Nachbarn einzuwirken und sie zu verbindlichen Verzichtserklärungen zu bewegen.


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