Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / 66

nahme – und diese ist auf fünf Jahre Erfahrung gegründet – ganz klar zum Ausdruck gebracht, daß Interventionen und auch Anzeigen mehr an fachlich-therapeutischen denn an juristischen Kriterien zu messen sind. Man hat also fünfjährige Erfahrung zum Anlaß genommen, um im Ärztegesetz notwendigerweise entsprechend zu reagieren. Sie von den Freiheitlichen wollen das nicht wahrhaben und werfen uns immer wieder vor, die Täter statt die Opfer zu schützen. (Abg. Meisinger: Zu Recht!)

Sie behaupten auch immer wieder, und Sie tun den Jugendlichen gegenüber immer wieder so – das war heute ja besonders "seriös" –, als ob die Ärzte nicht mehr anzeigen dürften. Ich weiß schon, daß niemand froh ist, wenn er eine derartige Verantwortung übernehmen muß, aber wir haben nun einmal die Pflicht, Kindern und Jugendlichen sowie Personen, die nicht selbst für ihre Rechte eintreten können, den bestmöglichen Schutz angedeihen zu lassen. Nur "Haltet den Dieb!" zu brüllen, wird zuwenig sein. Die Täter sind einer gerechten Strafe zuzuführen, aber das setzt eine gesicherte Beweislage voraus. Die Frau Ministerin hat ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, wie das in der Vergangenheit mit dem Ambulanz-Tourismus gewesen ist. (Abg. Aumayr: Eine Anzeige setzt das voraus!) – Frau Kollegin Aumayr! Wer brüllt, hat selten die besseren Argumente! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Alles andere ist meiner Ansicht nach eine zusätzliche Belastung für die ohnehin bedauernswerten Opfer.

Ich darf hier noch einmal auf den gemeinsamen Entschließungsantrag der beiden Regierungsparteien verweisen. Wir Sozialdemokraten sind jedenfalls für einen wirksamen und gleichermaßen behutsamen Opferschutz. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Sehr behutsam!)

12.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung ein. – Bitte.

12.15

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ebenfalls – wie meine VorrednerInnen – mit dem § 54 beschäftigen, mit der Anzeigepflicht und deren Neuregelung. Ich denke, daß sie in dieser Novelle jetzt besser als früher geregelt ist, und möchte all die Ausführungen meiner Vorrednerin Kollegin Reitsamer nur unterstreichen.

Weiters möchte ich ausführen, daß in den Stellungnahmen der Bundesländer von manchen die finanziellen Auswirkungen für die Länder befürchtet werden. Ich denke, daß diese Befürchtungen nicht begründet sind, denn laut Angabe in der Statistik der Jugendwohlfahrt wurden im Jahre 1996 27 231 Jugendwohlfahrtsmaßnahmen angeordnet, davon 2 503 wegen körperlicher oder sexueller Mißhandlung. Es ist nicht anzunehmen, daß aufgrund der jetzigen Neuregelung der ärztlichen Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht ein nachhaltiger Anstieg dieser Zahlen zu erwarten ist.

Auch jetzt schon werden aufgrund der geltenden Bestimmungen selbstverständlich die Jugendwohlfahrtsträger und daher die Länder in den Fällen körperlicher oder sexueller Gewalt gegen Minderjährige befaßt. Aufgrund der neuen Regelung ist zu erwarten, daß die Verständigung der Jugendwohlfahrtsträger unverzüglich und direkt erfolgt, nicht erst nach vorangehender Anzeige an die Sicherheitsbehörde. Das führt zu einer begrüßenswerten Beschleunigung der Einleitung der gebotenen Schritte. Die Neuregelung bedeutet damit aber keine Zunahme der Aufgaben der Jugendwohlfahrtsträger, sondern bloß, daß die im Jugendwohlfahrtsgesetz normierten Aufgaben besser – das heißt schneller – wahrgenommen werden können.

Schließlich ist noch zu bedenken, daß in der erwähnten Zahl von 2 503 Maßnahmen im Jahr 1996 wegen körperlichen und sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen nur ein statistisch nicht ausgewiesener Teil auf ärztliche Intervention zurückgeht. Bei einer Verteilung der Fälle auf etwa 130 Jugendwohlfahrtsträger steht daher nur eine nicht ins Gewicht fallende Größenordnung von Aufgaben zur Diskussion.

Erwähnt werden muß auch, daß sich Österreichs Kinderärzte und Kinderchirurgen vehement für die neue Ärztegesetz-Novelle aussprechen. Sie begrüßen die neu geregelte Verschwiegen


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