Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 145. Sitzung / 55

Vom Procedere der Steuerreformkommission her – von dem, was vor allem in den letzten Monaten geschehen ist – kann ich Ihren Optimismus nicht ganz teilen, Herr Finanzminister. Daran sind Sie persönlich meiner Ansicht nach nicht ganz unschuldig, nämlich was das Timing betrifft. Ich wünsche Ihnen alles Glück dafür, daß noch etwas Vernünftiges und Vertretbares zustande kommt, glaube das aber nicht. Die große Steuerreform von 1988 – die Lacina-Ditz-Reform – ist nicht zufällig in der Mitte einer Legislaturperiode zustande gekommen.

Am Ende einer Legislaturperiode, da Ihr Koalitionspartner genauso wie Sie selbst – und wir selbstverständlich auch – in den Startlöchern für die Wahlen steht, zu erwarten, daß jetzt, abgesehen von einzelnen Zwischenrufen, in Ruhe die Optionen des Machbaren für die Steuerreform vorgelegt werden und Sie dann gemeinsam mit der ÖVP in Ruhe debattieren, was man machen kann und was nicht, das halte ich für absolut unwahrscheinlich, Herr Minister! Wir brauchen uns ja nur die heutige Rede von Herrn Kollegen Stummvoll anzuhören. Herr Kollege Stummvoll hat ... (Abg. Kiss: Exzellente Ausführungen!) Ja, exzellente Ausführung, mag schon sein (Abg. Dr. Khol: Dem haben Sie wenig entgegenzusetzen, Herr Kollege!), aber im wesentlichen hat er gesagt: Wir verlangen eine Steuerentlastung hier, wir verlangen eine Steuerentlastung dort (Abg. Dr. Trinkl: Das verlangen Sie auch!), wir verlangen eine Abschaffung der Erbschaftssteuer, wir verlangen eine Begünstigung des Mittelstandes und und und – ohne bei irgendeinem Punkt dazuzusagen, wie er sich die Finanzierung vorstellt. (Abg. Dr. Trinkl: O ja, das hat er eingangs gesagt!) Das habe ich nicht gehört. – Das also wird kommen? Ja, jetzt im Wahlkampf. (Abg. Dr. Khol: Das werden wir mit dem Finanzminister verhandeln!)

Niemals werden Sie das tatsächlich machen! Sie werden genau das gleiche machen wie die FPÖ, nämlich Steuervorschläge hinauflizitieren, und ob das dann 10, 20, 40 oder 50 Milliarden Schilling kostet, ist Wurscht. Der qualitative – oder, wenn Sie so wollen, quantitative – Unterschied ist, daß die "flat tax" der Freiheitlichen nach meiner – zugegeben oberflächlichen – Einschätzung mindestens 100 Milliarden Schilling Steueraufkommensausfall kosten wird. (Abg. Dr. Khol: Da stimme ich Ihnen zu!) Das kann sich Österreich schlicht nicht leisten, außer man will das, was Herr Rabushka in Wirklichkeit will: den Staat ruinieren. Wie hast du (in Richtung des Abg. Dr. Nowotny) es genannt? (Abg. Dr. Nowotny: Aushungern!) Nicht ruinieren, sondern aushungern; aber das läuft auf dasselbe hinaus. (Abg. Dr. Khol: Sozialrückbau zu Lasten der Menschen!)

Herr Kollege Trattner! Ich wäre sehr dankbar – wo ist er; er ist im Moment nicht da –, wenn ich auch einmal die endgültige Fassung Ihres Steuermodells bekommen könnte. Ich kann nur sagen: Wenn Sie im Ernst erwarten, daß dieser Steuerausfall von 100 Milliarden Schilling über Wachstumseffekte hereinkommt – bitte, Sie brauchen erstens die entsprechenden ... (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wie kommen Sie auf 100 Milliarden?)

Bei einer "flat tax" von 23 Prozent, mit der Sie de facto – ich kann es nicht genau errechnen, weil Sie mir die Unterlagen noch nicht gegeben haben, aber über den Daumen gepeilt – zwei Drittel aller Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen aus der Lohn- und Einkommensteuer herausnehmen, frage ich mich ernsthaft, warum Sie die Lohn- und Einkommensteuer nicht überhaupt abschaffen wollen. Das wäre doch viel einfacher! Dann hätten wir endgültig ein regressives Steuersystem. Aber das scheint Sie nicht zu bekümmern. (Abg. Dr. Haider: Es geht auch um die Arbeitsplätze! Mehr Einkommen, mehr Arbeitsplätze, mehr Investitionen! Ist das so schwer verständlich?) Geh, bitte! (Abg. Dr. Haider: Ist es so schwer verständlich, daß mehr Investitionen mehr Arbeitsplätze schaffen? – Abg. Dr. Nowotny: Pseudo-Ökonom Haider!)

Ein bißchen Arithmetik ... (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) – einen Schlußsatz noch –, ein bißchen Arithmetik, Herr Kollege Haider: Um 100 Milliarden Schilling hereinzubringen, bräuchten Sie ein zusätzliches Wachstum beim Sozialprodukt in der Größenordnung von 10 bis 15 Prozent! Bitte! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums. – Abg. Dr. Haider: Fragen Sie Professor Schneider! – Abg. Dr. Van der Bellen – das Rednerpult verlassend –: Schneider frage ich nicht!)

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