Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Lassen Sie mich die Beantwortung Ihrer Frage mit einer Vorbemerkung einleiten. Die Erklärung, die vier europäische Wissenschaftsminister anläßlich des 800. Geburtstages der Pariser Universität Sorbonne am 25. Mai des heurigen Jahres unterzeichnet haben, hat sozusagen zwei Aspekte.

Der eine Aspekt ist ein europapolitischer, und dieser ist nicht besonders erfreulich. Wenn nämlich die Wissenschaftsminister der vier größten Staaten einen guten Gedanken haben, diesen sogleich in die Tat umsetzen und erst dann die übrigen Wissenschaftsminister einladen und sagen, daß sie in dieses Boot ja auch einsteigen könnten, dann ist eine solche Haltung nicht gerade von einem besonders kooperativen Geist im Sinne der Europäischen Union und ihrer Bürger und Bürgerinnen gekennzeichnet. Wir haben daher in dieser Hinsicht auch unser Befremden – gemeinsam mit anderen Staaten, die nicht eingeladen waren, von Haus aus daran teilzunehmen – zum Ausdruck gebracht.

Zweiter Aspekt: Wissenschafts- und universitätspolitisch gesehen gehen wir andererseits davon aus, daß die in der Sorbonne-Erklärung eingeschlagene Richtung sinnvoll und nützlich ist. Sinnvoll und nützlich ist sie deshalb, weil es darum geht, nunmehr auch etwas zu schaffen, was man eine europäische Universität nennen könnte: mit vergleichbaren oder gleichen Abschlüssen und mit geradezu geplanten Schnittstellen, die es den Studierenden erlauben, während des Studiums nicht nur die Universität, sondern auch das Land zu wechseln, ohne dabei Zeit zu verlieren. Das liegt insoweit auch voll in unseren Intentionen.

Es ist außerdem so, daß standardisierte Abschlüsse, gemeinsame, vereinheitlichte Formen von Abschlüssen, selbstverständlich auch einen Beitrag dazu leisten, daß die Absolventen eines Universitätsstudiums an einer der europäischen Universitäten – aber auch etwa an den amerikanischen Universitäten – vergleichbare Voraussetzungen vorfinden, um dann Arbeit in Europa zu finden, und zwar in allen Mitgliedsländern. Auch das ist voll in unserer Absicht mit eingeschlossen.

Was werden wir daher tun? – Auch ich sehe das Risiko, das entsteht, wenn man auf eine gerade laufende und mit großem Engagement von den Universitäten vorangetriebene Reform, nämlich die Umsetzung des Universitäts-Studiengesetzes, eine zweite Reform aufsetzt. Da besteht das Risiko, daß sich alle zurücklehnen und sagen: Jetzt schauen wir einmal, was wirklich kommt.

Ich habe daher schon frühzeitig, schon vor Beginn des Wintersemesters, mit dem Präsidium der Rektorenkonferenz ein erstes ausführliches Gespräch darüber geführt und vereinbart, daß wir umgehend eine Arbeitsgruppe einsetzen, deren Ziel im wesentlichen ein zweifaches ist. Das erste Ziel ist es, festzustellen – und zwar so rasch wie möglich indikativ festzustellen –, in welchen Bereichen aus der Sicht der Universitäten die Umsetzung eines dreistufigen Studienmodells mit dem Bakkalaureat als erster Stufe sinnvoll, zweckmäßig und rasch möglich erscheint.

Das zweite Ziel ist es, auch zu klären, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden müssen.

Es wird darüber hinaus – drittens – notwendig sein, auch eine sehr solide Abschätzung der Arbeitsmarktchancen für einen Bakkalaureat-Abschluß vorzunehmen, weil unser Interesse zweifellos nicht dahin geht, einen Zwischenabschluß zu schaffen, der letztlich zu einer Verlängerung des Studiums führt. Wenn, dann sollte schon ein Abschluß geschaffen werden, der auch zur Berufstätigkeit qualifiziert und von der Wirtschaft oder sonstigen Arbeitgebern angenommen wird, weil wir sonst den Studierenden einen Bärendienst erweisen würden.

Wir haben diese Frage zuletzt in der Rektorenkonferenz ausführlich diskutiert und ersucht, die Studienplanumsetzung in der vom Gesetz vorgesehenen Weise voranzutreiben. Wir haben auch ersucht, in den Bereichen, in denen jetzt schon ein dringendes Bedürfnis nach Dreigliedrigkeit


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