Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 59

Im Zusammenhang mit der Shoa zu sagen, ich sei froh darüber, wäre eine Lästerung. Es erfüllt mich als Kind einer entrechteten Jüdin und einzige in Österreich lebende Nachkommin einer großen vernichteten und vertriebenen Familie mit Genugtuung, daß wir wenige Tage vor der 60. Wiederkehr der Novemberpogromnacht in diesem Haus und Hort der Demokratie mit den Stimmen aller fünf Parteien beschließen, die geraubten Kunstschätze und das Gold der Opfer des Nationalsozialismus endlich rückzuerstatten, und daß wir mit Scham und Trauer die Verbrechen eingestehen und uns schwören, niemals wieder solche nicht zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.03

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Eine meiner Vorrednerinnen hat den Terminus von der "Gnade der späten Geburt", wenn auch nicht expressis verbis, gebraucht. Ich halte diesen Begriff für falsch. Es ist nicht eine Gnade, die späte Geburt auf sich beziehen zu können, es ist ein Nachteil, wenn es um die Beurteilung von Dingen geht, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Wenn man länger auf der Welt ist, dann hat das zumindest den Vorteil, daß man nicht auf die selektive Berichterstattung Älterer angewiesen ist, sondern sich selbst ein Bild aus seiner eigenen Wahrnehmung machen kann – aber soviel nur als Einleitung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das verbrecherische Regime des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg haben Abermillionen Opfer gefordert. Hinsichtlich einer bestimmten Anzahl von Opfergruppen trifft Österreich eine besondere Fürsorgepflicht. Dazu gehören die jüdischen Mitbürger, die aus Österreich vertrieben worden sind, die zu einem sehr hohen Prozentsatz umgebracht worden sind. Dazu gehören aber auch die Altösterreicher aus dem Gebiet der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, die aus ihrer Heimat vertrieben worden und auch zu einem hohen Prozentsatz umgebracht worden sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Das ist schon wieder genau die Aufrechnung!) – Nein, eine Aufrechnung ist es nicht, es ist ein Anspruch der Gerechtigkeit, Kollege Nowotny. Ich habe nur sechs Minuten Redezeit, wir können dann auf dem Gang über anderes weiterreden. (Abg. Dr. Nowotny: Ich hoffe, Sie haben der Frau Dr. Pittermann zugehört!)

Ich wehre mich dagegen, daß man unter den armen Teufeln Hierarchien einzieht, daß man Rangordnungen macht und sagt: Du bist vertrieben worden, du bist ein gutes Opfer, und du bist vertrieben worden, du bist ein schlechtes Opfer! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Das sagt ja niemand!) Dein Vater ist umgebracht worden, aber du bist ein schlechter Hinterbliebener, und dein Vater ist umgebracht worden, aber du bist ein guter Hinterbliebener. Das steht uns nach 60 Jahren ... (Abg. Dr. Nowotny: Das sagt ja niemand! – Abg. Aumayr: Sie sagen es!) Implizite wird es gesagt! Ihr Zwischenruf sagt das. Opfer ist Opfer! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Sie haben der Frau Dr. Pittermann nicht zugehört!) Ob jemand aus Wien vertrieben worden ist, ob jemand aus Brünn vertrieben worden ist, ob er auf dem Marsch von Brünn nach Wien umgebracht wurde oder auf dem Weg von Wien woandershin, ist für den Betroffenen und seine Hinterbliebenen egal. Opfer ist Opfer in diesem Zusammenhang! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf auf noch einen Umstand hinweisen: Sie sind in Wahrheit alle Opfer des Nationalsozialismus, die einen wie die anderen – die einen direkte und die anderen indirekte. Denn auch die aus Brünn ... (Abg. Dr. Nowotny: Und die Täter kommen auch noch dazu! Die sind auch noch Opfer!) – Das täte Ihnen so passen, Kollege Nowotny! – Aber auch die aus Brünn sind Opfer des Nationalsozialismus. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn hätte es den Nationalsozialismus nicht gegeben, wären diese Menschen beziehungsweise ihre Hinterbliebenen heute noch in Brünn. Daher wehre ich mich dagegen, daß man jetzt eifersüchtig – so wie Sie – hergeht und sagt: Die Opfer, denen ich näherstehe, sind die guten Opfer, und die anderen sind die schlechten Opfer. Dagegen wehre ich mich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Täter gibt es bei Ihnen keine mehr!)


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