Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 63

Der Nationalrat wolle beschließen:

Änderung des Berichtes des Verfassungsausschusses 1469 der Beilagen, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Änderung des Berichtes des Verfassungsausschusses 1469 der Beilagen, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/1995 geändert wird:

Ziffer 1 lautet: § 2 Abs. 1 Z 2 lit. b lautet: "bis zum 13. März 1938 durch etwa vier Jahre hindurch ununterbrochen ihren Wohnsitz in Österreich gehabt haben beziehungsweise in diesem Zeitraum als Kinder von solchen Personen in Österreich geboren wurden oder ..."

Die bisher im Bericht angeführte Änderung des Bundesgesetzes erhält die Ziffer 2.

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Der Zusammenhang mit der Materie, die wir hier diskutieren, ist evident. Wenn wir nämlich jetzt diesen Personenkreis nicht in der richtigen Weise erfassen, dann wird das, was wir im Rahmen der Rückerstattung von geraubten und nachher abgepreßten Kunstgütern zurückgeben, nur einen verkürzten Personenkreis treffen. Wir sind der Meinung, daß, wenn wir diesen Schritt setzen, auch der Kreis der Anspruchsberechtigten besser abgegrenzt werden muß.

Aber zurück zum Hauptthema, das uns hier beschäftigt. Die Demokratie des Verschweigens und der Diskussionslosigkeit, die wir im Jahr 1945 begonnen haben, diese Demokratie des Friedensschlusses durch Nichterörterung, diese Quasikonkordanzdemokratie, die wir im Jahr 1945 in die Welt gesetzt haben, müssen wir jetzt aufarbeiten, weil eine Weiterentwicklung des Bewußtseins notwendig ist, und zwar bezüglich des gesamten Problembereiches, der damit zusammenhängt. Und die Zeit arbeitet dabei gegen uns! Daher bin ich der Meinung, je rascher wir das Problem erledigen, je rascher wir diese Diskussion aufnehmen, desto besser ist es – und zwar nicht nur deswegen, weil zunehmend die Opfer gestorben sein werden, an die wir uns zu wenden haben, wenn wir noch Wiedergutmachungen leisten wollen, sondern auch deswegen, weil die Zeitzeugen, die in der ersten Phase der Zweiten Republik am Werke waren, uns auch abhanden kommen werden.

Aber ich bin andererseits nicht der Auffassung des Kollegen Ofner, daß man über Geschichte nur reden darf, wenn man Zeitzeuge war. Ich bin nicht dieser Auffassung. (Abg. Dr. Ofner: Man tut sich nur leichter!) Man tut sich zum Teil leichter, zum Teil aber auch nicht – lieber Harald Ofner, zum Teil aber auch nicht, denn wenn man selber in einer großen unmittelbaren Betroffenheit steht, dann ist es manchmal viel schwerer, sich zu einer objektiven Position durchzuringen, als wenn man sich als unbeteiligter Dritter selbstverständlich auch mit Zeitzeugen zu unterhalten hat, sich aber die gesamten Fakten anschauen kann und es mangels inneren Bebens einfach leichter hat, sich eine Meinung zu bilden, die vielleicht schmerzlich ist, aber eben nicht unbedingt für einen selbst in der direkten Betroffenheit, und das erleichtert es manchmal. Es ist dann aber auch kälter, das gebe ich zu. Geschichtsschreibung und Aufarbeitung sind kälter als die eigene Betroffenheit, aber die eigene Betroffenheit kann auch unter Umständen so stark sein, daß sie das Gesichtsfeld verengt, daß sich das Bewußtsein auf wenige Teilprobleme, die natürlich wichtig sind, beschränkt. Und das ist der Nachteil der persönlichen Betroffenheit.

Wenn ich persönlich mein Geschichtsbild ausschließlich von der persönlichen Betroffenheit meiner physischen Teilnahme an Vertreibungsvorgängen ableiten würde, dann hätte ich ein verqueres Geschichtsbild – einerseits, weil man als Kind manches ganz anders erlebt, und andererseits, weil das ein millimetergroßer Ausschnitt aus einem großen Ablaufszenario wäre, von dem aus ich dann sozusagen vielleicht in einer Art historischer Nabelschau die Welt betrachten würde. Ich bin gelegentlich – und das gebe ich hier von diesem Rednerpult aus zu – ganz froh


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