Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 68

Meine Damen und Herren! Es ist doch interessant, daß wir uns 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, 50 Jahre, nachdem all diese Verbrechen – all diese unglaublichen Verbrechen! – passiert sind, heute hier im Parlament noch immer darüber unterhalten müssen, wie man zumindest finanziell – "Wiedergutmachung" ist wahrscheinlich wirklich das falsche Wort –, dieses Unrecht zumindest in materieller Hinsicht teilweise wiedergutmachen kann.

Da ist doch wirklich die Frage zu stellen: Was ist denn in den letzten 50 Jahren passiert? – Aber, meine Damen und Herren, dieses Gesetz zur Rückstellung der Kunst- und Kulturgüter beispielsweise ist ja kein Problem der unmittelbaren Nachkriegszeit, bei dem man sagen könnte, daß damals vielleicht irgendwelche Fehler gemacht worden seien. – Nein! Dieser Vergleich, diese Problematik, die wir heute zu bereinigen haben, stammt doch aus den fünfziger Jahren!

Eine österreichische Bundesregierung, demokratisch gewählt, eine große Koalition, bestehend aus SPÖ und ÖVP, hat damals mit den Eigentümern dieser Kunstschätze, die diese Kunstschätze in das Ausland transferieren wollten, einen Vergleich geschlossen. Um ihnen die Ausfuhr zu ermöglichen, hat man ihnen nahegelegt, auf einen Teil dieser Kunstschätze zu verzichten, den Rest könnten sie dann ausführen. Die demokratische Republik Österreich, eine in den fünfziger Jahren demokratisch gewählte Regierung in einem Österreich, das von den Besatzungsmächten kontrolliert war, hat diesen Vergleich geschlossen.

Jetzt könnte man fragen: Was ist an diesem Vergleich auszusetzen? Das war ja eine demokratische Regierung, es herrschten doch friedliche Umstände, man kann doch nicht sagen, daß das erzwungen worden sei. – Und trotzdem und zu Recht stehen wir heute hier und müssen das bereinigen. Da muß man doch hinterfragen: Wie demokratisch, wie gerecht war denn die Politik der damaligen Jahre? Wie demokratisch und gerecht war denn eine politische Führung in diesem Staat, die solche Vergleiche abgeschlossen hat? Und warum hat es denn weitere 40 Jahre gedauert, bis wir heute dazu kommen, uns über diese Dinge zu unterhalten?

Wenn man sich etwa Ministerratsprotokolle aus dieser Zeit, aus den vierziger und fünfziger Jahren, ansieht, dann merkt man doch, meine Damen und Herren – auch das sollten wir heute zur Sprache bringen –, daß man gerade in jener Zeit, in der es noch möglich gewesen wäre, eine große Anzahl an überlebenden Geschädigten, an überlebenden Opfern zumindest teilweise zu entschädigen, in der es noch möglich gewesen wäre, die wirklich Betroffenen entsprechend besserzustellen, diesen Geist weitgehend vermissen hat lassen.

In diesen Protokollen ist etwa zu lesen, daß ein Minister Übeleis am 12. November 1946 gesagt hat:

Na ja, die deutschen Reichsbahnen und die Reichspost haben schon eine Anzahl von Privatunternehmen übernommen und auch Autokonzessionen von Privaten erworben, aber das ist doch im öffentlichen Interesse. Das ist damals, im Jahr 1938, abgelöst worden. Da kann man nicht davon sprechen, daß das "arisiert" worden sei, und eine Rückgabe dieser Dinge würde dem öffentlichen Interesse widersprechen. – Zitatende.

Im Jahre 1952 – also in der demokratischen Republik Österreich des Jahres 1952 – hat ein SPÖ-Vizekanzler folgendes gesagt: Wenn wir durch den Staatsvertrag dazu nicht gezwungen sind, so können wir doch kein Präjudiz schaffen. – Es geht dabei um einen Fonds aus erblosem Vermögen, also genau um jene Sache, über die wir heute sprechen. – Aus der Behauptung heraus, es handle sich um herrenloses Gut, können wir uns doch nichts wegnehmen lassen – können wir uns doch nichts wegnehmen lassen!; das sagt der sozialdemokratische Vizekanzler des Jahres 1952! – Ich bin überzeugt – so sagt er weiter, und da wird es sogar noch schlimmer! –, daß in Österreich die Zahl der Juden, die umgekommen sind, verhältnismäßig gering ist. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das war die Geisteshaltung einer österreichischen Regierung aus dem Jahre 1952! Die anderen Kommentare erspare ich mir jetzt, weil meine Redezeit fast schon abgelaufen ist.


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