Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 76

Diese solchermaßen verteidigte Ordnung ermöglicht es, sowohl Opfer als auch Täter und die Nachkommen der Opfer und der Täter in einem einzigen Nebel gleich erscheinen zu lassen. Sie müssen sich diesem Problem stellen. – Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Ich ersuche Sie wirklich, im Rahmen der Bundesregierung diese Frage aufzuwerfen.

Ich bringe Ihnen ein weiteres Beispiel, das Sie beide auch in Ihrem derzeitigen Ressortbereich betrifft. Erst dieser Tage wurde das letzte Atelier von Gustav Klimt in Wien Unter St. Veit entdeckt. Es ist zwar anhand von Fotos schon lange in ausländischen Kulturzeitschriften als das originale Klimt-Atelier erkannt und entsprechend belegt worden; das wurde aber bei uns in Österreich bis zuletzt bestritten. Dennoch ist es eindeutig das Atelier Klimts, wo sich nach der Jahrhundertwende österreichische – jüdische wie nichtjüdische – Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler getroffen haben, wo Gustav Klimt zu seinem Schaffen inspiriert wurde und bis zu seinem Tode gearbeitet hat. Die Geschichte dieses Objektes und des ganzen Areals ist bis in unsere Zeit, bis heute, die Geschichte eines entsetzlichen Unrechts!

Die Liegenschaft gehörte der Familie Klein, sie waren Weinhändler im Westen von Wien. Zuerst wurde diesen Weinhändlern der Fuhrpark durch Beschlagnahme weggenommen – die Nazis haben ja immer versucht, ihrem Handeln den Schein der Rechtmäßigkeit zu unterlegen –, sodaß sie ihren Auslieferungsverpflichtungen nicht nachkommen konnten und in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Der ganze Betrieb wurde "kassiert", die Eigentümer wurden zur Ausreise gezwungen. Sie konnten nur ihr Leben retten!

Nach dem Krieg sollte Frau Ernestine Klein dieser Grundbesitz aufgrund der Rückstellungsgesetze zurückgegeben werden. Allein diese Liegenschaft ist heute viel mehr wert als der ganze Nationalfonds, nämlich mehr als 100 Millionen Schilling. Diese Liegenschaft wurde von der Republik Österreich nach dem Krieg, in den neunziger Jahren, nicht etwa mit dem Ausdruck des Bedauerns und jeder Entschuldigung, die man nur aussprechen kann, zurückgegeben. – Nein! Man hat Frau Ernestine Klein ihr zurückgegebenes Eigentum durch öffentliche Verfügungen unbrauchbar gemacht: Es wurden mitten durch dieses Areal Straßen projektiert, also eine öffentliche Widmung als Straßenfläche ausgesprochen. Diese Straßen wurden zwar nie gebaut, die Wiese blieb weiterhin unangetastet, aber man mußte der Dame "leider" sagen, daß die Fläche als private Liegenschaft nicht mehr nutzbar und auch nicht als solche zu verkaufen war. Denn wer kauft schon eine Liegenschaft, durch die lauter Straßen führen?

Frau Ernestine Klein ist nichts anderes übrig geblieben als diese wertvolle Liegenschaft um einen Bettel zu verkaufen. Sie hat sie letztlich der Stadt Wien verkauft, diese hat sie wiederum im Jahre 1993 an eine Grundstücksgesellschaft des Herrn Golabi, "Arier", verkauft. Und siehe da, Herrn Golabi ist in kürzester Zeit das gelungen, was den Beraubten, Bestohlenen, Vertriebenen und Geschädigten nicht gelungen ist: Die Stadt Wien, die MA 21 B, der Herr Senatsrat Vokaun, hat diese Flächenwidmung geändert. Die Straßen sind wieder weg, man konnte das Grundstück aufteilen und mit dem vollen Wert von Liegenschaften in Wien Ober St. Veit, also in bester Lage, verkaufen.

Es kamen noch einige Tricks dazu. So wurde der Bezirksvertretung zunächst gesagt, man wolle ein Altersheim errichten. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Nachdem die Umwidmung rechtskräftig geworden ist, will man von einem Altersheim, das in gewisser Weise noch eine soziale Komponente in diese Unrechtsgeschichte gebracht hätte, nichts mehr wissen. Das sind beinharte Liegenschaftsspekulationen! Was den Geschädigten nicht gelungen ist, ist Herrn Golabi mit einem Fingerschnipser gelungen.

Eine Bürgerinitiative hat, wie gesagt, nur durch Zufall entdeckt, daß das ein Klimt-Atelier ist. Der Zufall bestand darin, daß permanent japanische Touristen kamen und nach der Gedenktafel für Gustav Klimt fragten. Die Nachbarn haben gesagt, sie wüßten es nicht. Sie wüßten gar nichts, es gebe keine Gedenkstätte. – Es gibt keine, weder für Gustav Klimt noch für Frau Klein, die man bestohlen und beraubt und auch nach dem Krieg um ihr Eigentum gebracht hat.

Diese historische Zufälligkeit wird meiner Ansicht nach zwar bei dieser Liegenschaft wohl dazu führen, daß man letztendlich doch vielleicht wenigstens des Unrechts gedenken kann, aber


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