Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 33

dungsrechtsreform befassen würden. Das ist in der Tat – rein vom Aufbau des Gesetzes her und hinsichtlich dessen, was man eigentlich bezwecken will – eine nachrangige Frage, ungeachtet dessen, daß es gesellschaftlich und moralisch eine wichtige und richtige Frage ist. Wenn es aber um das Gesetzeswerk selbst geht, dann sind unserer Meinung nach ganz andere Dinge in den Vordergrund zu stellen.

Wir haben vor zwei Jahren eine Studie zu diesem Thema vorgelegt. Ich bin sehr froh darüber, daß diese sehr umfassende Studie auch Bestandteil und Arbeitsgrundlage der heute bereits mehrmals erwähnten interministeriellen Arbeitsgruppe war, in der über eine Ehe- und Scheidungsrechtsreform beraten wurde. Mittelpunkt, zentraler Inhalt dieser Studie war der verschuldensunabhängige Unterhalt.

Ich möchte jetzt noch einmal auf jenen Punkt eingehen, den Sie, Herr Kollege Graf, ausgeführt haben. Sie, Herr Kollege Graf, sind der Meinung, daß das Verschulden bei der Beurteilung des Unterhalts eine maßgebliche Rolle spielen soll, und Sie haben von einem "Vertrag" gesprochen. Da dürfen Sie aber nicht vom Unterhalt ausgehen, sondern müssen sich überlegen, ob man Sanktionsmöglichkeiten unabhängig vom Unterhalt einführen soll.

Der Unterhalt ist nicht die Sanktion, die dabei anzuwenden ist, sondern der Unterhalt ist etwas, das Menschen zusteht, die aus ganz bestimmten persönlichen Lebensführungsgründen nicht in der Lage sind, sich selbst zu erhalten. (Beifall bei den Grünen.) Das sind in erster Linie Frauen, die für die Erziehung der Kinder sorgen und möglicherweise auch auf die Ausübung ihres Berufes verzichtet haben, weil es in ihrer Ehe die Vereinbarung gegeben hat, daß die Frau zu Hause bleibt, um den Haushalt zu führen und die Kinder zu erziehen. Allein diese Frage ist ausschlaggebend, und sie soll auch ausschlaggebend für den Unterhalt sein. Das hat ja in der Gesetzesvorlage auch Berücksichtigung gefunden.

Die Frage, ob sich jemand in einem Vertrag, wie ihn ja auch eine Ehe darstellt, schuldig gemacht hat oder nicht, muß auf einer anderen Ebene – wenn das gewünscht wird – geregelt werden. In einem solchen Fall müssen Sie von der FPÖ eben einen Vorschlag machen, wie Ihrer Meinung nach ein solcher Sanktionskatalog ausschauen sollte. Aber jedenfalls muß das unabhängig vom Unterhalt gestaltet werden. Der Unterhalt eignet sich nicht als "Bestrafung" oder "Belohnung", sondern er ist unserer Meinung nach ausschließlich nach Kriterien auszurichten, die die Aufteilung der Arbeit in der Ehe, die Dauer der Ehe, das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen, den gemeinsam erwirtschafteten Lebensstandard, aber vor allem die Aufteilung der Arbeit nach Beendigung der Ehe, also im Falle einer Scheidung, berücksichtigen sollen. Wer wird welchen Anteil an der Arbeit übernehmen? Danach – und ausschließlich danach! – hat sich unserer Meinung nach die Höhe des Unterhalts zu richten.

Ich bedauere bei diesem Gesetzentwurf, daß es zu keiner Neukodifizierung gekommen ist. Das Ganze ist zwar ein kleiner Ansatz, ein ganz kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber viel zu wenig, um dem Genüge zu tun, was zu erwarten wäre, handelt es sich doch dabei um ein Gesetz, das aus dem vorigen Jahrhundert stammt, das zutiefst patriarchalische Züge hat. Und das ist etwas, was sich in vielen Dingen ausdrückt – und sei es nur, weil darin noch immer die "Morgengabe", das "Heiratsgut", die "Schlüsselgewalt" und ähnliche Begriffe enthalten sind. Das wäre neu zu formulieren, um zu einem Gesetz zu kommen, in dem es zumindest einen gleichgeschlechtlichen Ansatz gibt und das dem Gleichbehandlungsgrundsatz in allen Bereichen und allen Paragraphen entspricht – und nicht nur ein einziger kleiner, erster Schritt in eine ganz bestimmte Richtung ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Das gehört im sozialversicherungsrechtlichen Bereich geregelt!)

10.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

10.49

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wahl des Themas "Kein Stillstand in der Justizpolitik" bedeutet nicht, daß es unserer Meinung nach einen Stillstand in der Justizpolitik gegeben hat. Ich möchte diesen Vorwurf seitens meiner Fraktion und seitens der Vorsitzenden des Justizauschusses zurückweisen.


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