Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 159. Sitzung / 100

der Justiz nicht so verbunden ist wie Sie, noch verzeihen, weil er sich nicht auskennt. Aber daß Sie als ausgebildeter Anwalt, in flagranter Verletzung der Unschuldsvermutung jemanden, einen unbescholtenen Staatsbürger, einen Steuerbetrüger nennen, das ist eine Schande! Das ist ein Tiefpunkt in diesem Hohen Haus, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist unglaublich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Sie sollten sich mit Herrn Stadler auseinandersetzen! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie scheinscheilig – ich wiederhole: scheinheilig! – versuchen (Zwischenruf des Abg. Koppler), die Justiz in Schutz zu nehmen, dann verweise ich auf alle "Auslassungen" des Präsidenten Fischer im Zusammenhang mit den Verurteilungen im Sinowatz-Worm-Komplex, als er die Justiz gegeißelt hat, als er davon gesprochen hat, daß Österreich durch die Justiz ein Richterstaat sei. Wo ist denn da Ihr Aufschrei oder jener der Sozialdemokratie geblieben? – Hier messen Sie mit zweierlei Maß, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie messen noch einmal mit zweierlei Maß. Von Kollegen Meischberger haben Sie den Rücktritt verlangt. Kollege Meischberger ist zurückgetreten. All Ihre Kalender konnten Sie sich (Abg. Mag. Stadler: In die Haare schmieren!) in die Haare schmieren.

Was ist denn mit Kollegen Pfeifer – Kollege Pfeifer, ehemaliger Präsident des Bundesrates, angeblich angesehener Parlamentarier des Bundesrates? Was ist denn damit? – Da sagen Sie, das sei das freie Mandat, da verlangen wir nichts, aber Herr Meischberger soll zurücktreten. Auch da wird wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen. Das ist unglaublich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Ein Verfassungsgesetz haben Sie verlangt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte schon auch auf die Rieger-Sache eingehen, weil sie mir repräsentativ dafür erscheint, daß die Justiz mit zweierlei Maß mißt. (Abg. Mag. Stadler: Koncilia! Unterrainer!) Das muß ich Ihnen schon sagen. Ich bin mit der Anfragebeantwortung nicht zufrieden, das muß ich Ihnen auch sagen. Herr Justizminister, Sie haben selbst zugegeben, daß der Akt von Anzeigen gegen die Riegerbank zwei Monate lang gelegen ist, daß nichts geschehen ist. Kein Wort findet sich in dieser Beantwortung darüber, kein Wort!

Meine Damen und Herren! Es ist zwar nicht neu, daß die Justiz in Österreich auf einem Auge blind ist und daß mit zweierlei Maß gemessen wird, insbesondere was die Weisungspraxis anlangt, aber, Herr Justizminister, Sie machen es sich besonders einfach. Wenn die Staatsanwaltschaft eine Meinung zu einer Weisung vertritt, wird sie von der Oberstaatsanwaltschaft korrigiert, und diese Korrektur wird von Ihnen zur Kenntnis genommen. Der Herr Justizminister erteilt ja keine Weisungen, aber er hat eine Oberstaatsanwaltschaft, die die Staatsanwaltschaft korrigiert. Dafür gibt es X Beispiele (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé), etwa den Freispruch des Herrn Sipötz, des Landesrates, des Landeshauptmann-Stellvertreters Sipötz im Sinowatz-Worm-Prozeß. Der Staatsanwalt wollte eine Berufung einbringen. Der Oberstaatsanwalt verbietet ihm das. Der Justizminister nimmt das zur Kenntnis. (Zwischenruf des Abg. Smolle.)

Ein weiteres Beispiel: Der Staatsanwalt will Vorerhebungen zur Causa Einem im Zusammenhang mit dem Kurdenbüro einleiten, der Staatsanwalt will Vorerhebungen pflegen. Die Oberstaatsanwaltschaft sagt: einstellen. Der Justizminister sagt: Das nehme ich natürlich zur Kenntnis, weil es im Sinne der Sozialdemokratie ist. (Abg. Smolle: Es gibt keine Weisung! – Abg. Schieder: Waren sie alle bei der Riegerbank beschäftigt? Waren das Angestellte der Riegerbank? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sag einmal "Riegerbank"!)

Herr Justizminister! Sie machen es aus Ihrer Sicht ja gescheit! Sie verlängern Ihre Ministerschaft – Sie haben sie bereits einmal verlängert –, weil Sie genau wissen, was mit einem tatsächlich unabhängigen Minister in Österreich wie Herrn Foregger passiert. Er war vier Jahre lang untadeliger Minister, aber weil er es zugelassen hat, daß die Genossen aus der Regierung vor Gericht gestellt wurden, daß sie verurteilt wurden, hat er den Hut nehmen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) So schaut es aus, wenn es um Vorerhebungen gegenüber SPÖ-Politikern geht.


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