Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 188

55 Prozent der Anwendungsfälle fanden bisher im sozialen Nahbereich statt. Das heißt, daß Täter und Opfer einander kennen. Es handelt sich oft um Konflikte im Freundes- und Bekanntenkreis, am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft. Strafe führt dann oft zu einer Verhärtung, während es durch den außergerichtlichen Tatausgleich doch immer wieder möglich ist, auch zu einem Abbau der Spannungen und der Probleme zu kommen.

84 Prozent der Opfer wollen einen Tatausgleich, weil sie zu Recht den Eindruck haben, daß sie im Strafprozeß nur eine Nebenrolle spielen würden und keine wirkliche Auseinandersetzung mit den Problemen erfolgt. (Abg. Jung: Von welcher Umfrage haben Sie das?) Es ist auch so, daß 84 Prozent der Opfer mit dem Tatausgleich zufrieden sind. Das ist eine seriöse Untersuchung. (Abg. Jung: Sagen Sie uns, von welcher Umfrage das kommt! – Abg. Dr. Jarolim: Jungsche Geheimdienst-Umfrage!) Sie haben das im Ausschuß gehört. Wenn Sie aufgepaßt hätten, dann wüßten Sie, was die Experten dort gesagt haben. Aber ich merke, daß Sie eine sehr selektive Wahrnehmung haben. (Abg. Dr. Jarolim, in Richtung des Abg. Jung: Lesen Sie es nach!)

Um jetzt noch einmal auf die Argumente einzugehen: Im Ausschuß ist das Argument vorgebracht worden, es handle sich um ein Loskaufen. Hier wird jetzt eher argumentiert, es werde versucht, die Opfer abzuspeisen. Beides ist nicht richtig. Es ist auch schon gesagt worden – aber Sie hören nicht darauf –, daß der Zivilrechtsweg offenbleibt, sodaß zuerst im Verfahren des außergerichtlichen Tatausgleiches versucht wird, auch eine materielle Schadensgutmachung zu erreichen, daß aber darüber hinaus noch der Zivilrechtsweg zur Verfügung steht.

Zur Rolle der Bewährungshelfer, die als Konfliktregler auftreten, möchte ich sagen, daß auch hier immer wieder argumentiert wird, daß diese auf der Seite des Täters und nicht auf der des Opfers stehen. Das ist keineswegs der Fall. Es handelt sich nicht um jene Bewährungshelfer, die als Bewährungshelfer für Verurteilte auftreten, sondern das sind eigens spezialisierte Konfliktreglerinnen und Konfliktregler. Ich möchte betonen, daß diese Menschen sehr positive Arbeit leisten und daß der Tatausgleich bisher ein wirklicher Erfolg gewesen ist.

Die Diversion stellt ein wichtiges neues Element in der österreichischen Strafrechtspflege dar. Ich freue mich, daß wir uns heute dafür entscheiden, einen erfolgversprechenden Weg zu gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Es gibt die Vereinbarung, daß Sie auch vom Sitz aus sprechen können, wenn Sie das wünschen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.52

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Ich spreche heute vom Platz aus, nicht weil ich es mir wünsche, sondern weil der Lift kaputt ist und ich nicht zum Rednerpult fahren kann.

Der Grund dafür, daß ich mich zum außergerichtlichen Tatausgleich zu Wort melde, besteht darin, daß der außergerichtliche Tatausgleich untrennbar mit dem Namen Dr. Stremesberger aus Linz verbunden ist. Keiner, der sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, wird je vergessen, daß es Dr. Stremesberger war – einer der engagiertesten Richter in den Jahren 1980 bis 1985 –, der das Projekt des außergerichtlichen Tatausgleiches in Linz begonnen hat.

Dr. Stremesberger hätte in seinem Leben sicherlich noch sehr viel in diese Richtung getan, wäre er nicht selbst im Gericht in Linz einem Amokläufer zum Opfer gefallen und dort getötet worden. Ich glaube, wir dürfen eines nicht vergessen: Dr. Stremesberger steht hinter dem außergerichtlichen Tatausgleich.

Ich habe bereits 1987 mit Dr. Stremesberger sehr intensiv zusammengearbeitet, und zwar als Leiterin eines gemeinnützigen Vereines in Linz. Ich bin das Wagnis eingegangen, mit Jugendlichen zu arbeiten, die die Chance hatten, den außergerichtlichen Tatausgleich in einem Sozialverein abzuleisten.


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