Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 156

17.28

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man diese Diskussion verfolgt und zum Beispiel den Redebeitrag des Abgeordneten Gusenbauer ernst nimmt, dann könnte man meinen, er wäre in der Opposition. Herr Gusenbauer! An all dem, was Sie gesagt und zu Recht kritisiert haben, sind Sie und die SPÖ sehr wohl mitbeteiligt. (Beifall bei den Grünen.) Sie sind mit der ÖVP in einer Regierungskoalition! Vergessen Sie das nicht! Ihre Selbstkritik – so habe ich das letztendlich verstanden – war hundertprozentig richtig, und ich hoffe, daß Sie daraus etwas lernen. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Das glaube ich nicht!)

Herr Minister Molterer! Sie haben am Ende Ihres Debattenbeitrages gesagt, Sie möchten, daß die kleinen bäuerlichen Betriebe erhalten bleiben und Familienbetriebe bleiben. Herr Minister! Dann haben Sie aber vom Mühlviertel Ihren Blick nur nach Wolfern und vielleicht noch in die Welser Heide geworfen.

Aber Sie haben zum Beispiel nicht mehr Ihren Blick ins Mostviertel schweifen lassen, weil Sie wissen, daß es diese Betriebe dort schon längst nicht mehr gibt. Und die ehemaligen Bauern, die kleinen Bauern, die es dort gab, fühlen sich eigentlich schon als "Hobbygärtner", aber nicht mehr als Bauern, weil Sie nicht mehr als Bauern, sondern als "Landschaftspfleger" bezeichnet werden. Bei uns im Mostviertel geht die Diskussion bereits darum, daß man, je mehr Weißwurzen man am Feld stehen läßt, desto eher eine Chance hat, Mittel von der EU zu bekommen. – Das ist sicherlich keine befriedigende Lösung für die Bauern!

So haben zum Beispiel nur jene Bauern im Mostviertel eine realistische Chance, zu überleben, wenn sie bereits in Pension sind. Sie wissen ganz genau, daß es im gesamten Mostviertel kaum Hauserben gibt, daß niemand mehr auf dem Bauernhof bleibt, und zwar deshalb nicht, weil er sich das existentiell nicht mehr leisten kann. (Abg. Steibl: Kollegin Haidlmayr, übertreiben Sie da nicht ein bißchen?)

Die Bauernhäuser dort verfallen, wo immer sie durchfahren, werden Sie sehen: Da stehen halbe Ruinen, weil niemand mehr da ist, der es sich tatsächlich leisten kann, den Hof zu bewirtschaften. Die wenigen Höfe, die übriggeblieben sind, sind Großbetriebe, die die Grundstücke sozusagen abgehauster Bauern zum Nulltarif gepachtet haben; damit werden diese jetzt noch einmal ausgenutzt. – So schaut die Situation im ländlichen Bereich aus!

Das, von dem Sie sprechen, Herr Minister Molterer, betrifft die Situation von Wolfern und jene der Welser Heide, aber das ist niemals die "kleiner" Bauern, die wirklich von ihren eigenen Produkten gelebt haben. Zuerst haben Sie die Bauern vom Lagerhaus, dann vom Maschinenring und dann von der Raiffeisenkassa abhängig gemacht. Und jetzt wollen Sie Ihnen auch noch erklären, daß sie mit der Agenda 2000 überleben können! Sie haben aber keine Überlebenschance mehr, sie haben schon vorher sozusagen abgedankt und ihren Hof aufgegeben. Die Großen haben zugeschlagen, aber diese liegen jetzt wiederum abends im Bett und haben, wenn sie Schweine oder Stiere zu verkaufen haben, den Angstschweiß auf der Stirn, denn sie wissen nie im vorhinein, wie hoch der Schweine- oder der Stierpreis ist und ob sie ihr Zuchtvieh vielleicht nicht teurer eingekauft haben, als sie es letztendlich verkaufen dürfen. Das ist bitte die Situation der österreichischen Bauern!

Machen Sie sich nichts vor: Auch mit der Agenda 2000 wird sich die Situation der Bauern nicht bessern; die Bauern glauben Ihnen das ohnehin schon lange nicht mehr! Was haben Sie Ihnen nicht alles versprochen, als wir der EU beigetreten sind? Damals haben Sie so getan, als ob die Bauern jener Berufsstand werden würde, der den "Feinkostladen Österreich" bedient, aber Sie haben nicht dazugesagt, wer das alles bezahlen soll!

Und jetzt möchten Sie den Bauern – zumindest jenen, die vielleicht noch ein wenig Hoffnung haben – erklären, daß sie mit der Agenda 2000 überleben können. Das können Sie aber nicht! Es wird einige wenige, immer größer werdende Industrie- und landwirtschaftliche Großunternehmen geben, die vielleicht existieren können – die Bauern aber können nicht mehr existieren, und zwar schon länger nicht mehr! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.33


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