Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 166. Sitzung / 36

Europarat haben nicht die gewählten Volksvertreter der Parlamentarischen Versammlung, sondern die ernannten Minister und die entsandten Botschafter im sogenannten Ministerkomitee.

Zweitens: Der Europarat produziert – man möchte es nicht glauben, ich war selbst überrascht – in 200 Komitees, Ausschüssen unendlich viel an bedrucktem Papier, aber meiner Einschätzung nach im Vergleich dazu sehr wenig, was verbindlich den Tag überdauert, an dem es beschlossen worden ist. Ich denke nur an die Resolutionen, die wir Sitzung für Sitzung in einer unendlichen Fülle mit großem Engagement verabschieden. Ich habe immer das Gefühl, ich bin an einer öffentlichen Veranstaltung der Selbstbefriedigung beteiligt. Es werden unendlich viele solcher Resolutionen verabschiedet, ohne daß das letztlich irgend etwas bewegt.

Oftmals sind diese Resolutionen, um Mehrheiten zustande zu bringen, so rund und abgeschliffen gefaßt, daß "Otto Normalverbraucher" – der Diplomat kennt sich schon aus – sicherlich nicht weiß, ob die Herren Abgeordneten jetzt Fisch oder Fleisch meinen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Drittens: Der Europarat ist schwerfällig zur Potenz und letztlich zahnlos, selbst was die Konventionen betrifft. Ich weiß schon, daß hier einiges erreicht wurde in 50 Jahren und es nicht einfach ist, eine Art supranationale Gesetzgebung zu haben, aber so schwerfällig und so zahnlos wie der Europarat mit seinen Konventionen ist, müßte er, glaube ich, doch nicht sein. Der Grund dafür ist, daß es an Sanktionen mangelt und es jahrelang dauert, bis eine Konvention nach der Beschlußfassung umgesetzt wird. Es dauert deshalb so lange, weil man sehr viel Zeit verstreichen läßt, bis diese Konventionen in den nationalen Organen der Mitgliedsländer ratifiziert werden. Manchmal werden sie gar nicht ratifiziert, und manchmal ratifiziert man sie, hält sich aber nicht daran, weil es eben keine Sanktionen gibt.

An sich könnte man ja als Österreicher – ich darf jetzt an den Beginn zurückkehren – eine gewisse Genugtuung darüber haben, daß, wie bereits erwähnt, zwei österreichische Parlamentarier den beiden größten Fraktionen des Europarates vorsitzen. Allerdings haben die beiden Herren, habt ihr – und Sie merken schon am Du-Wort, daß sie durchaus meine persönliche Wertschätzung haben, und umgekehrt ist es vielleicht auch der Fall, sonst würden sie mir nicht erlauben, es zu verwenden – nach Straßburg das exportiert, was ihr von zu Hause gewohnt seid und gelernt habt, nämlich Kuhhandel und Proporzdenken. Seid mir nicht böse, aber es ist so, und das empfinde nicht nur ich von der freiheitlichen Fraktion so, nämlich, daß da in den letzten Jahren (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt) – du hast überhaupt keine Ahnung davon, denn du warst noch nie dort – tendenziell zunehmend in diese Richtung gegangen worden ist, und zwar bei personellen Entscheidungen – natürlich, möchte man beinahe sagen –, zunehmend aber auch in einzelnen Sachfragen.

Ich habe mir sagen lassen, daß früher – ich gehöre jetzt immerhin auch schon sieben Jahre lang der Parlamentarischen Versammlung an – im Europarat mehr als heute über Länder und Fraktionsgrenzen hinweg die Sachkompetenz und die persönliche, die urpersönliche Sicht der Dinge der einzelnen Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung im Vordergrund standen. Heute bestimmt mehr – ich sage nicht, ausschließlich – das Fraktionsdenken die Handlungen. Das kommt nicht ganz von ungefähr. Kritisch anzumerken ist auch – ich möchte niemandem die Schuld daran zuweisen, denn ich weiß, daß da ein Spannungsfeld besteht –, daß der Europarat heute auch das eine oder andere Mitglied hat, das unseren Standards – ich meine jenen des Europarates –, etwa in Menschenrechtsfragen, in Fragen der Rechtsstaatlichkeit und in Fragen der demokratischen Alltagspraxis nicht entspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Es berührt mich sehr unangenehm, daß sich der Europarat in einem seiner Kernfelder, nämlich in einer Menschenrechtsfrage, erst vor wenigen Tagen vom EU-Parlament – ausgerechnet vom EU-Parlament! – hat vormachen lassen müssen beziehungsweise sich vorzeigen lassen mußte, daß Unrecht abseits von Tagesaktualität und In-Denken – ich meine es im Sinne von: Was ist gerade in? – beseitigt gehört. Ich meine damit den Umstand, daß das Europaparlament Tschechien aufgefordert hat – wir haben das nie zusammengebracht – die Beneš-Dekrete abzuschaffen beziehungsweise aufzuheben, mit denen die Vertreibung und Enteignung von 3,5 Millionen Sudetendeutschen gerechtfertigt beziehungsweise begründet worden


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite