Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 168. Sitzung / 66

müssen sich an diese Regeln halten, genauso wie diejenigen, denen wir es vorwerfen, wenn sie es verletzt haben.

Angesichts des Umstandes, daß wir Polizeibeamte haben, denen nicht klar ist, daß das stundenlange – stundenlange! – Verpicken des Mundes schädliche Folgen für die Gesundheit haben kann, die noch meinen, vorübergehend könne man schon Leukoplast draufpicken, und der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit vor der Fernsehkamera sagt, daß es ganz besonders erfahrene Beamte gewesen seien, die da hinuntergeschickt wurden, frage ich mich: Wer hat denn diese Personen ausgewählt? Wer hat sie denn nicht ausgebildet? Wer ist denn schuld daran, daß sie letztlich ein technisches Fehlverhalten an den Tag gelegt haben, daß sie sich jetzt als Beschuldigte in einem Strafverfahren wiederfinden? Haben sie sich das verdient? – Ich sage einmal: leider ja!

Aber, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesminister, ein Strafverfahren, das im Stadium der Voruntersuchung steht, ist kein abgeschlossenes Strafverfahren, es kann jederzeit passieren – und wenn die Justiz unabhängig arbeiten kann, wird das wahrscheinlich auch passieren –, daß der Kreis der Beschuldigten erweitert werden muß. Auch im Falle von Lassing war zunächst ungewiß, wer zu den Beschuldigten zählt, aber auch die Dienstvorgesetzten, die ihre Dienstaufsicht verletzt haben, können sehr rasch in den Kreis der Beschuldigten geraten.

Deswegen ist es keineswegs gleichgültig, wie in dieser Angelegenheit argumentiert wird und wie die Rechtfertigungen ausschauen. Ich sage Ihnen folgendes: Es ist ein Privileg der österreichischen Strafrechtsordnung, daß die Beschuldigten in ihrer Rechtfertigung frei sind. Das ist richtig, das wurde auch von dieser Seite des Hauses, was die drei Polizisten betrifft, schon moniert. Sie sind frei, sie haben einen Bericht abgeliefert, der Bundesminister hat ihn auf den OTS-Schirm gestellt. Als sie aber nach Wien gekommen sind, haben sie festgestellt, daß sich dieser Bericht aufgrund verschiedener Zeugenaussagen nicht mehr ganz halten läßt, und daher ganz plötzlich entdeckt, daß er zu ergänzen sei. Zuerst war es das Geschrei des ums Leben gebrachten Menschen, jetzt ist es auf einmal die Beißerei des ums Leben gebrachten Menschen gewesen! Beides kann nicht gleichzeitig richtig sein!

Unter welchem Schock muß ein Beamter stehen, daß er, wenn er einen Bericht an seinen Minister schreibt, hineinzuschreiben vergißt, daß er gebissen worden ist? Unter welchem Schock muß er stehen? Der österreichische Botschafter in Bulgarien, der sie als erster in Empfang genommen hat, will nichts von Bißwunden bemerkt haben. Sie können das in den Medien nachlesen!

Botschafter Potyka ist frei vom Verdacht, ein Komplize von irgend jemandem zu sein: weder von den Liberalen, von den Grünen, von der Caritas noch von der Diakonie. Wenn er das aber nicht bemerkt hat, dann haben diese drei Beamten unter den Bißwunden, die sie ihrer nunmehrigen Behauptung nach haben, offensichtlich nicht besonders stark gelitten, sonst wäre Herrn Botschafter Potyka das wohl aufgefallen. Wenn ich Menschen in Empfang nehme, die verletzt sind, ... (Abg. Dr. Krüger: Vorverurteilung!) – Das ist keine Vorverurteilung! (Abg. Dr. Krüger: Natürlich!) Beide Varianten können nicht gleichzeitig wahr sein. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Einer der beiden Berichte ist falsch! Und es genügt mir, mit Polizisten konfrontiert zu sein, von denen man weiß, daß zumindest einer ihrer Berichte falsch ist – vielleicht auch beide, das wäre auch noch möglich. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Natürlich gilt die Unschuldsvermutung; seien Sie doch nicht so wehleidig! Solange es kein rechtskräftiges Urteil gibt, gilt diese Unschuldsvermutung selbstverständlich. Aber Beschuldigte sind solche Leute allemal, so heißen sie nämlich nach der Strafprozeßordnung. Tut mir leid; das ist so.

Zur Verdunkelungsgefahr: Merken Sie nicht, Herr Bundesminister, daß die Verdunkelungsgefahr, die Verabredungsgefahr so überevident ist, wenn sich eine Behörde selbst untersucht! Es ist schon wahr, daß die Justiz unabhängig ist, aber die Erhebungsorgane, derer sich die Justiz bedient, sind wieder dieselben Leute, die zu untersuchen sind. Wir haben lange darüber de


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