Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 101

14.22

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist jetzt müßig, darüber zu philosophieren, was gewesen wäre, wenn die Regierungsparteien und die Minister der Regierungsparteien vor dem 12. Mai so entschlossene Worte gefunden und Taten gesetzt hätten, wie das heute der Fall ist. Ich denke, wir könnten uns in diesem Fall angesichts des doch relativ knappen Entscheidungsergebnisses in Tschechien heute wahrscheinlich über einen Erfolg der österreichischen Antiatompolitik freuen. Aber wie gesagt, es ist müßig, darüber zu philosophieren.

Es hat eine Unterbrechung dieser Politik gegeben. Und wenn Sie jetzt von einer Fortsetzung der österreichischen Anti-Atompolitik schreiben, dann muß ich sagen, das ist lediglich eine – wenn man es so nennen will – Wiederbelebung, die ganz offensichtlich und offenkundig mit dem 13. Juni und dem 3. Oktober zu tun hat. Und das ist eigentlich bedauerlich, denn inzwischen sind sehr viele Gelegenheiten verpaßt und verpatzt worden.

Frau Bundesministerin! Konkret ist in der Ratspräsidentschaft leider wenig bis gar nichts passiert, um die EU-Mitgliedsländer in Richtung eines gemeinsamen Ausstiegskonzeptes mit Hilfestellungen zu motivieren und konkrete Angebote an Tschechien und an die anderen Beitrittswerberstaaten zu machen.

Wenn heute gesagt wird, Klima habe mit Zeman telefoniert, dann denke ich: Wenn es wirklich um eine österreichische Lebens- und Überlebensfrage geht – und als solche werden das wohl sehr viele Menschen sehen; wir von den Grünen sehen es so –, dann wäre es wohl der Mühe wert gewesen, Zeman persönlich aufzusuchen und mit ihm dieses Thema zu verhandeln, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger und auch nicht mit einer "Wenn, dann"-Erpresserstrategie, sondern mit einer ausgestreckten Hand und wohl auch mit einem ganz konkreten Angebot einer Ausstiegshilfe ausgestattet. Das wäre adäquat gewesen! (Beifall bei den Grünen.)

Drittens: Frau Bundesministerin, Sie wissen genau, der tschechische Außenminister hatte einen Regierungsbeschluß zu vollziehen, und er hatte die Haltung der Nachbarstaaten in einem Bericht zusammenzufassen. Aber was diesbezüglich von österreichischer Seite geliefert worden ist, finde ich eigentlich wirklich blamabel: ein diplomatisch verschnörkseltes Papier, in dem nicht die klare Forderung nach einem Baustopp enthalten ist. Das hat wahrscheinlich unsere Chancen, in diesem Punkt erfolgreich zu sein, ganz entscheidend geschwächt!

Ich komme auch noch zu den beiden Punkten, von denen ich glaube, daß sie der Kern des Problems sind, daß dort der wirkliche Fehler liegt, wodurch diese Unterbrechung der österreichischen Antiatomlinie passiert ist. Das war zum einen Ihr dauerndes Vermischen von Ausstiegs- und Sicherheitsphilosophie. In Wirklichkeit ist die Sicherheitsphilosophie das Gegenteil der Ausstiegsphilosophie, nicht eine Ergänzung. Und weil Sie sich auch gerade während der Ratspräsidentschaft nicht mit der deutschen und französischen AKW-Industrie anlegen wollten, ist man von einem sehr entschlossenen und von allen Parteien getragenen Ausstiegskurs zu einem Sicherheitsstandardkurs geschwenkt, mit all den Unschärfen, die dieser Kurs mit sich gebracht hat. – Das war der eine Kardinalfehler!

Daß Sie sich jetzt wieder – spät, aber doch – auf das Ausstiegskonzept besinnen, das kommt nach dem 12. Mai reichlich spät! Ich fordere Sie daher auf: Kehren Sie zu einem Ausstiegskonzept mit Hilfestellungen, mit der ausgestreckten Hand zurück und verlassen Sie diesen nebulosen Kurs der Sicherheitsstandards, von dem letztlich nur die deutsche und französische AKW-Industrie profitieren werden! (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Dr. Bartenstein: Da gibt es aber noch den Umweltminister, nicht?)

Das mag schon sein. Aber in einem Land, in dem es dank der Weisheit der Bevölkerung kein AKW gibt, kann man auch einmal eine europäische Vorreiterrolle übernehmen. Und ich würde mir für Österreich wünschen, daß die Bundesregierung diese Vorreiterrolle übernimmt und sich nicht an jenen Staaten orientiert, die leider AKWs haben und mit den gesamten Schwierigkeiten einer Neuorientierung des Kurses konfrontiert sind.


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