Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 117

Aus diesem Grunde kommt es darauf an, Vorstellungen davon zu haben, wie dieses System aufgebaut sein soll. Nur wenn ich diese Vorstellungen habe, nur wenn ich klare Ziele habe, wenn ich von der Richtigkeit dieser Ziele überzeugt bin, kann ich mich auch dafür engagieren.

Ich halte es für richtig, sich dafür zu engagieren, und ich glaube, daß das auch in Österreich – mir, das sage ich ganz offen, sehr angenehme – Begleiterscheinungen hätte. Es würde nämlich die Auflösung des nationalen Heeres bedeuten – in den anderen europäischen Staaten genauso –, es würde nämlich die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht bedeuten, weil wir auf ein Freiwilligenheer umstiegen.

Ich glaube, daß das eine sehr gute Zukunftsvision ist, und zwar sowohl für die Verteidigung der Werte in einer solchen Gemeinschaft als auch für die Entscheidung derjenigen, die auf diese Weise dafür eintreten wollen.

Um all das zu diskutieren – auch wenn Sie es für falsch halten –, um das mit Sachargumenten zu diskutieren, um all das offenzulegen und nicht immer nur auf der Schlagwortebene zu bleiben, haben wir die heutige Dringliche Anfrage eingebracht. Und ich hoffe sehr, Herr Bundeskanzler, daß Sie den Weg hierher deswegen gemacht haben, weil Sie bereit sind, zu den 20 Fragen, die wir gestellt haben, nicht nur Ihre Statements, Ihre Worthülsen und Ihre – wie soll ich sagen – Botschaften abzuliefern, sondern diese unsere Fragen auch wirklich zu beantworten. Ich bitte Sie, nicht das zu tun, was Sie uns gelegentlich anbieten, nämlich den Mantel des Schweigens darüberzubreiten, wenn wir Ihrer Meinung beitreten, sondern einen politischen Diskurs über die Richtigkeit der Argumente zu führen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage erteile ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.22

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es mag schwer sein, drei Tage nach einer Wahl und drei Monate vor einer Wahl eine sachlich fundierte Diskussion zu führen. (Abg. Haigermoser: Uns fällt das nicht schwer! Wir haben kein Problem damit!) Ich werde mich auf jeden Fall im Rahmen der Beantwortung der an mich gestellten Fragen darum bemühen.

Sehr geehrte Frau Dr. Schmidt! Gestatten Sie mir, daß ich vorab auch die Überlegungen und Vorstellungen über die Sicherheit und Stabilität in Europa, die mich bewegen, eine Politik zu führen, die uns vielleicht unterscheidet, kurz darlege.

Ich glaube, daß wir alle hier ein dringliches Interesse haben, im nächsten Jahrhundert eine Architektur für Europa zu finden, die uns Stabilität und Sicherheit im höchstmöglichen Ausmaß gewährleistet. Und ich meine, daß es schlecht wäre, wenn wir zu einer Politik kämen, die dazu führt, daß wir neue Teilungslinien, neue Gräben, neue Blockbildungen in Europa haben. (Abg. Wabl: Da hat er recht!) Es ist daher meiner Meinung nach wichtig und richtig, daß wir – und das sind nicht nur die vier paktfreien oder neutralen Staaten in der Europäischen Union, sondern auch andere, die mittel- und langfristig über Stabilität und Sicherheit in Europa nachdenken – die Europäische Union nicht zu einem Militärpakt mit obligatorischer NATO-Mitgliedschaft machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, daß das nicht nur ein Problem für die vier Staaten ist, die bereits im Vertrag von Maastricht erreicht haben, daß eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union auf die jeweils bestimmte Sicherheitspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen hat – das findet sich ja auch, damals bekannt unter "Irischer Formel", im Vertrag von Amsterdam wieder und gibt uns die Flexibilität, die dieses Europa braucht –, und ich bin der Ansicht, daß auch in Richtung des Erweiterungsprozesses, den wir uns für das nächste Jahrhundert durchaus in Richtung Lettland, Litauen, Estland und so weiter vorstellen können, eine solche obligatorische NATO-Mitgliedschaft in einem Militärpakt Europäische Union dazu beitragen könnte, daß neue Blockbildungen in diesem Europa entstehen (Abg. Dr. Schmidt:


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