Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 125

nis, das kann ja sein – die Neutralität bereits aufgegeben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Schieder: Das ist ja nicht wahr!) Das ist so! Das ist so! Kollektive Selbstverteidigung heißt: gemeinsam mit anderen, das heißt im Bündnis. (Abg. Dr. Khol: Da hat er hundertprozentig recht!)

Außerdem ist die Charta für die Zwecke von Aggression oder von Angriffskriegen nicht gedacht. Sie ist für Verteidigungskriege gedacht, und daher war selbstverständlich zu allen Zeiten das NATO-Bombardement im Kosovo nicht konform mit der UNO-Charta. Das wissen Sie ganz genau! (Bundeskanzler Mag. Klima: Ja!) Im politischen Raum hat sich auch der Rat in Berlin – mag es vielleicht auch nur der Pressesprecher gewesen sein, der sich da irrtümlich geäußert hat – davon nicht distanziert! Im Gegenteil: Er hat den NATO-Einsatz im Kosovo bekräftigt.

Sie waren Mitglied dieses Rates. In diesem Fall mögen Sie sich zwar innerhalb des Rates ein bißchen anders geäußert haben, die offizielle Erklärung nach dem Rat war eine andere, und das wissen Sie genau. (Bundeskanzler Mag. Klima: Beim Berliner Rat gab es keine Erklärung!) Keine Erklärung! Gut! (Bundeskanzler Mag. Klima: Brüssel meinen Sie!)

Sie haben Frage Nummer 9 dadurch überhaupt nicht beantwortet, indem Sie gesagt haben, daß Sie nun zu den Fragen 4 bis 9 sprechen, obwohl in der Frage 9 präzise formuliert war, ob Sie, wenn Sie weiter auf dem Boden der immerwährenden Neutralität stehen wollen, dann konsequenterweise gegen jede einzelne GASP-Maßnahme mit militärischen Auswirkungen ein Veto einlegen müßten, und zwar zwangsläufig, weil Sie sonst nämlich Mittäter, Helfershelfer sind, auch wenn wir keine physischen Truppen einbringen. Aber in dem Moment, in dem man an militärischen Aktionen durch Beschlußfassungen mitwirkt, ist man Mittäter, auch wenn man sich dann selbst nicht dabei betätigt. Denn auch derjenige, der an der Entwicklung des Planes, eine Bank auszurauben, teilnimmt, ist Mittäter, nicht nur jener, der dann tatsächlich einsteigt. (Abg. Dr. Khol: Da hat er auch recht!)

Ich meine daher, daß Sie ein merkwürdiges Verhältnis zur immerwährenden Neutralität und ihrer völkerrechtlichen Dimension haben. Die immerwährende Neutralität bedeutet nämlich absolute Einschätzbarkeit und Verläßlichkeit! Und nur dann, wenn Sie gleichzeitig das Versprechen abgeben, daß Sie gegen jeden Beschluß der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, der militärische Implikationen hat, ein Veto einlegen, wären wir weiterhin im völkerrechtlichen Sinn immerwährend neutral.

Sie haben nicht den Mut, zuzugeben, daß das so ist – denn das, was wir in dieser Dringlichen Anfrage beschrieben haben, ist ja nur der Befund, das sind ja keine Absichtserklärungen –, Sie sind nicht bereit, nicht Manns genug, wenigstens zu sagen: Ja, das ist der Befund, daher haben wir de facto den Status der immerwährenden Neutralität aufgegeben, wenngleich das Neutralitätsgesetz noch im Raum steht und es selbstverständlich auch die Elemente der Bündnisfreiheit, die Elemente, daß es keine fremden Truppen auf unserem Territorium und auch keine Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen mit Ausnahme aufgrund eines UNO-Mandates im Sinne von friedenserhaltenden Maßnahmen geben darf, enthält.

Herr Bundeskanzler, mir kommt das so vor, als ob Sie, um ein Bild zu gebrauchen, behaupten, Österreich behält den Status des Gelübdes eines Mönches oder einer Nonne, die gelobt haben, in einem Kloster zu leben, und das Keuschheits- sowie das Armutsgelübde abgelegt haben. Sie verhalten sich aber so wie jemand ohne Gelübde im freien Raum, wie ein lediger Mensch. Ich halte das wirklich für eine fatale Sache! Wir wohnen im Kloster und gehen abends in die Disco. Das ist die Politik, die Sie in der Neutralitätsfrage machen: Wohnen im Kloster und abends in die Disco gehen. Das finde ich nicht gut, denn gleichzeitig ist das nicht gut! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sollten uns daher gemeinsam dazu finden, eine ruhige und sachliche Debatte darüber zu führen, wie es wirklich mit der europäischen Sicherheit weitergehen und welche Beiträge Österreich dazu leisten soll. Und dazu hat das Liberale Forum einen qualifizierten Vorschlag vorgelegt, der zwar vielleicht eine etwas längerfristige Dimension haben mag, aber das werden Sie uns nicht verübeln können, nämlich das gemeinsame europäische Heer als Antwort darauf in


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