Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 175. Sitzung / 65

daß die sogenannte Grundstoff- oder Stahlindustrie ... (Abg. Dr. Nowotny: Das ist zu isoliert gesehen, das wissen Sie genau!) – Isoliert gesehen. Okay.

Ich werde jetzt aber nicht die 123. Podiumsdiskussion hier wiederholen. Wir nehmen zu Protokoll, daß Kollege Ewald Nowotny, den ich sonst natürlich schätze (Abg. Dr. Nowotny: Was auf Gegenseitigkeit beruht), in diesem Punkt wahrscheinlich noch immer nicht überzeugt ist, und es vielleicht sogar auf ihn zurückzuführen ist, daß dieser Punkt in der Steuerreform nicht berücksichtigt wurde. Diese Reform sind Sie uns schuldig geblieben, diese Chance hat Österreich meines Erachtens vertan.

Diese Chance haben Sie vertan, obwohl das internationale Umfeld derzeit für diese Diskussion, für diese Reform günstig wäre – nach den Reformen in Deutschland, nach den Reformen in Skandinavien, nach dem Nachziehen der Niederlande. Sogar Italien, ein nicht gerade klassisches Land für eine Vorreiterrolle in diesem Zusammenhang, tritt in Etappen der ökosozialen Steuerreform ein. Und so wird man eben von einem, der den "first mover advantage" hätte haben können, zu einem, der aufgrund seiner Trägheit und Nachlässigkeit die Nachteile des Schlußlichts auf sich zu nehmen hat.

Es ist natürlich nicht der Finanzminister allein, den dieser Vorwurf trifft, das möchte ich schon deutlich sagen, es ist genauso die Volkspartei; die Volkspartei in Form ihres Umweltministers, der die Senkung der Lohnnebenkosten durch seine Blockade im Rahmen der Finanzierung des Familienlastenausgleichs de facto hintertrieben hat, und natürlich auch der Wirtschaftskammer, die bis heute nicht verstanden hat, daß diese Art der Arbeitskostenentlastung vor allen dem Gewerbe, dem Dienstleistungssektor, jenen Hunderten, Tausenden von Unternehmen zugute käme, die Mitglied der Wirtschaftskammer sind. Das Skurrile ist ja, daß ich bei Mitgliedern der Industriellenvereinigung für diese Reform viel mehr Verständnis gefunden habe als in Bereichen der Wirtschaftskammer. (Abg. Tichy-Schreder: Herr Professor! Unterschätzen Sie nicht die Wirtschaftskammer und die Unternehmen! Die schauen, daß die Wirtschaft läuft!) – Die unterschätze ich ganz bestimmt nicht, aber irgend etwas kann bei den Funktionären nicht ganz stimmen. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Es bleibt also von dieser Steuerreform – das wurde schon gesagt – eine Tarifreform und darunter ein Dutzend Maßnahmen übrig. Die Tarifreform ist vom Grundsatz her in Ordnung, nur hatten wir verlangt – und Sie hatten das zugesichert, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten – vor allem eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen.

Und wenn Kollege Nowotny sagt: Die kriegen ja eh 70 Prozent quasi des Steuerausfalls!, dann sage ich: No na, das sind ja auch die "Mehreren". Erstaunlich wäre es, wenn es nicht so wäre. Aber erklären mußt du uns immer noch, warum wir hier, die wir in diesem Saal sitzen, die Gutverdienenden in diesem Lande, mit netto 7 000 S aussteigen und die Textilarbeiterin mit netto – ich habe es jetzt vergessen – 2 000 S oder vielleicht 3 000 S.

Ich höre dann immer: Ja, aber in Prozenten des Einkommens gewinnen die, die am schlechtesten verdienen, am meisten. Dazu kann ich nur sagen: Bitte verschont mich mit diesem Argument! Seit wann leben die Leute von Prozenten? (Beifall bei den Grünen.) Meines Wissens leben sie immer noch von den Groschen und Schillingen, die sie in der Tasche haben.

Diese falsche Politik, diese verteilungspolitische Schlagseite verstärkt sich auch in anderen Punkten.

Mit der Reform der Erbschaftssteuer, mit der weiteren Bagatellisierung der Erbschaftssteuer bin ich überhaupt nicht einverstanden, und ich frage mich wirklich, ob das dem Gleichheitsgrundsatz entspricht. Man hätte das auch anders regeln können. Ich bin schon lange Zeit dafür eingetreten, die Zahlungsfristen bei der Übernahme von Unternehmen auf viele Jahre zu erstrecken, damit es in diesem Zusammenhang zu keinem Liquiditätsproblem kommt. Aber so frage ich mich wirklich: Was soll das? Die Erbschaftssteuer degeneriert zu einer Grunderwerbsteuer – und das war’s im wesentlichen.


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