Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 175. Sitzung / 82

Herr Kollege Lukesch! Ich liebe die Theorie, ich lobe die Theorie, aber die Theorie allein ist nicht ausreichend! (Abg. Dr. Lukesch: "Effizienz", "überprüfen" – aber Sie haben nicht gesagt, wie!) Eine der Qualitäten des Herrn Staatssekretärs – ich sage das ungern im Vorlauf eines Wahlkampfes, ungern! – ist, daß er von der realen Wirtschaft etwas versteht. Und das ist einfach angenehmer, denn man kann sich zwar mit ihm auch streiten, aber man hat wenigstens die Chance, auf derselben Faktenebene zu streiten, nämlich auf demselben Kenntnis- und Erfahrungsstand. Das ist schon sehr viel wert! Wenn einem ein Theoretiker sagt, daß man als Praktiker ein Depp ist, hat man das nicht so gerne.

Daher wiederhole ich: Wenn Sie keine strukturellen Hebel zur Effizienzsteigerung ansetzen, wird diese Reform das bleiben, was sie jetzt ist, nämlich zwar umfangreich, aber nicht wohlgelungen.

Ich möchte Ihnen das an folgendem Beispiel zeigen, obwohl ich damit vielleicht wieder in die Falle des Herrn Höchtl – er ist nicht anwesend – gerate: Wir sind der Meinung, daß alle Einkommensarten annähernd gleichartig besteuert werden sollten. Alle! Daher haben wir volles Verständnis dafür, daß man sich auch der Frage zuwenden muß, was mit thesaurierten Einkommen, die sich über Wertpapiere entwickeln lassen, geschehen soll. Was ist mit denen? Diese Frage muß man stellen! Nur, so wie Sie das gemacht haben, ist es weit weg von der Wirklichkeit des Lebens, nämlich ineffizient, teuer, bürokratisch, aufwendig! Außerdem haben Sie durch die Verlängerung der Einjahresfrist auf eine Zweijahresfrist, wenn Sie wirklich dieses Target gehabt haben sollten, dem Dreck eine Watsche gegeben, denn diese zwei Jahre sind auch irgendwann einmal vorbei!

Sie verhindern damit nur, daß sich der Finanzplatz Wien entwickeln kann, weil sich dadurch natürlich bestimmte Rhythmen verlangsamen. Das ist richtig, das schaffen Sie! Wenn Sie aber Verluste und Gewinne gegenrechnen wollen, dann machen Sie jeden Privaten zu seinem eigenen Steuereintreiber und die Banken machen Sie zu Bütteln der Finanzverwaltung. Sie privatisieren also zum Teil in einer ganz merkwürdigen Form, die eher schon an eine Steuerpacht des Mittelalters erinnert, das Steuerwesen. Das finden wir nicht gut! Der Finanzplatz Wien wird dadurch nicht aufblühen! Die Wiener Börse, die ohnedies ein Armutschkerl unter den europäischen und weltweiten Börsen ist, wird dadurch auch nicht wirklich florieren.

Begleitet wird das Ganze davon, daß die österreichischen Banken im Wertpapiergeschäft unverhältnismäßig hohe Spesen kassieren. Das wissen Sie! Sie können sich noch so verzweifelt abwenden, Herr Kollege Lukesch, Sie wissen, daß die Spesen, die die österreichischen Banken im Wertpapiergeschäft kassieren, unverhältnismäßig sind, sodaß man schon nennenswerte Aktiengewinne erzielen muß, damit man sich die Spesen der österreichischen Banken leisten kann.

Diese Spesen darf man zwar gegenrechnen – das ist also noch nicht so arg –, aber Sie sehen, was all das an Aufwand bedeutet! In einem Land, in dem die Wertpapiergesinnung ohnedies unterentwickelt ist, treiben Sie damit die Menschen weiterhin zurück in die konservativsten und unattraktivsten Sparformen. Wenn Sie das gerne hätten, verstehe ich Ihre Vorgangsweise, weil es ein guter Ansatz ist, die Bürger entmündigt zu halten und ihnen weiterhin Autonomie zu nehmen.

Daß die Lohnnebenkostenaspekte in der vorliegenden Reform nicht vorkommen, finde ich schade. Ich finde das schade, weil sie eine der wesentlichsten Schlüsselfragen für den Arbeitsmarkt sind. In der Reform kommen sie jedoch nicht vor!

Da man, weil man auch ein bißchen Sozialpolitik macht, weiß, daß sich die Bundesländer weigern, über neue Mechanismen in der Sozialhilfe mit dem Bund auch nur zu diskutieren – das wäre aber wichtig, um sich überlegen zu können, wie sich das auf den Finanzausgleich auswirken würde –, ist schon heute klar, daß auch im nächsten Finanzausgleich die Frage eines Bundesansatzes zur Angleichung von Sozialhilfestandards wieder nicht auf der Agenda stehen wird. Denn das wird das letzte sein, was Sie dann beim Raufen ums Geld im Finanzministerium


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