Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 179. Sitzung / 164

setzt, einzurichten, um die grundsätzlichen Skartierungs- und Aufbewahrungsrichtlinien auch bezüglich elektronischer Informationsträger festzulegen."

*****

Das ist zumindest ein kleiner Reparaturversuch, wobei ich freilich festhalten möchte, daß es in diesem Gesetz mehrere solche Anomalien gibt.

Zum Beispiel sind dieselben Behörden, die Forschern den Zutritt zu Materialien verweigern können, letztlich die endentscheidenden. Das heißt, es können ohne weiteres bestimmte Dinge verschwinden, Unterlagen, wie wir sie zum Beispiel heute im Zusammenhang mit "Euroteam" ganz gerne gesehen hätten, zumindest als Archivalie, um zu prüfen, wie das damals bei diesem Skandal war. Jetzt entscheiden aber dieselben Behörden, die die Archivalien schaffen – also durch Schreiben, durch Verfassen, durch in Bände legen –, über das Einsichtsrecht und stellen auch fest, ob sozusagen überwiegende Interessen von irgend jemandem betroffen sind.

Das finden wir nicht in Ordnung: daß quasi "Kläger" und "Richter" in derselben Behörde vertreten sind beziehungsweise zwei Interessenabwägungen durch ein und dasselbe Organ stattfinden. Das wird die Behörde auch nicht schaffen, denn der § 5 sagt eindeutig, daß eben diese Stellen, die ich gerade zitiert habe, für die Entscheidung zuständig sind, und das ist unverständlich.

Ich meine auch, daß die Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung im § 5 Abs. 4 einfach nicht in Ordnung ist, denn in dieser Ermächtigung steht, daß letztlich die Bundesregierung allein darüber entscheidet, welcher Art von Schriftgut die Eigenschaft eines Archivgutes zukommt. Auch das finde ich nicht in Ordnung. Zumindest müßte man das Staatsarchiv damit befassen.

Insgesamt – und das gilt nicht nur für den von mir vorgetragenen Bereich der neuen, sozusagen modernen Medien – wäre es wichtig, bei der Skartierung unbedingt auch unabhängige andere Experten, zum Beispiel aus dem Kreis eines speziellen Archivrates, beizuziehen. Es müßte überhaupt zu einem etwas praxisnäheren Gesetz kommen. Weite Bereiche werden durch dieses Gesetz gar nicht geregelt. Es wird zum Beispiel dem Justizminister auferlegt, durch eine Verordnung die Skartierung im Detail zu regeln.

Meine Damen und Herren! Ich meine, man muß grundsätzlich ins Gesetz hineinschreiben, daß man unabhängige Experten beizuziehen hat, daß sozusagen ein Rat von nicht betroffenen Wissenschaftlern mit dabei ist und vor allem nicht von in der Behörde betroffenen Personen. Dann wäre die Chance gegeben, daß wir zu entsprechend zugängigen Archivalien kommen.

Ich glaube insgesamt, daß man dennoch froh sein kann, daß es jetzt zumindest so etwas wie ein Archivgesetz gibt. Es ist wenigstens ein Versuch, aber ganz wesentliche Bereiche anderer Archive und Archivalien wurden ausgespart. Ich hätte mir eigentlich von der Bundesregierung etwas mehr Mut erwartet, vor allem im Zusammenhang mit dem aktuellen Bedarf, meine Damen und Herren.

Wir wissen ja, vor einigen Wochen hat die Historikerkommission ihre Arbeit aufgenommen, und wir harren der Dinge, die da kommen werden. Ich hoffe, daß es gerade in diesem Bereich möglich sein wird, einwandfrei, klar und schnell zu den entsprechenden Quellen zu kommen. Einzelne Vorkommnisse in einigen Archiven lassen eher Schlimmes befürchten. Ich habe Berichte von Forschern einiger Universitäten vorliegen, die sich über die Handhabung bei einigen Archiven sehr wohl beklagen. Ich hoffe, daß das zumindest im Zusammenhang mit dieser großen Aufarbeitung unserer noch nicht lang zurückliegenden traurigen Historie doch etwas anders sein wird.

In diesem Sinn: Dieses Gesetz ist ein Versuch – eben nicht mehr als das, aber jedenfalls ein nicht genügender Versuch für eine Zustimmung von seiten des Liberalen Forums. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.54


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite