Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 179. Sitzung / 166

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Dr. Hlavac vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsgemäß überreicht worden, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Ich erteile jetzt Frau Abgeordneter Mag. Stoisits das Wort mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 8 Minuten. – Bitte.

18.58

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Smolle hat hier den Abänderungsantrag erläutert, der zwei Fakten aus dem Bundesarchivgesetz betrifft. Wir, die Fraktionen der Liberalen und der Grünen, haben diesen Abänderungsantrag sozusagen gemeinsam eingebracht, weil wir Probleme mit dem Archivgesetz haben.

Es geht um zwei konkrete Dinge. Er hat den Gesetzentwurf als einen Versuch bezeichnet, aber als einen untauglichen Versuch, sodaß man ihm die Zustimmung nicht geben kann. Ich möchte mich seinen Worten anschließen und sagen, eine alte Forderung – vor allem der Wissenschafter, der Zeithistoriker – nach einem Bundesarchivgesetz ist durch dieses Gesetz in einem bestimmten Ausmaß umgesetzt worden. Das darf, soll und muß auch gesagt werden, denn besser dieses Bundesarchivgesetz als gar kein Bundesarchivgesetz.

Daß aber der Weg wieder so gegangen wird, wie wir das in einigen heute und in den nächsten Tagen noch zur Diskussion stehenden Punkten sehen werden, ist enttäuschend. Ich frage mich: Wenn man schon etwas macht – und da wird ja etwas gemacht, was sozusagen etwas Einzigartiges ist, weil diese Materie ja erstmals in dieser Form geregelt wird –, warum beläßt man es dann bei einem unzulänglichen Versuch und geht nicht den Weg eines Gesetzes, der den berechtigten Einwänden – dabei beziehe ich mich vor allem auf die Einwände, die von seiten der Wissenschaft gekommen sind – Rechnung trägt? – Das verstehe ich nicht, Herr Staatssekretär.

Ich verstehe vor allem auch nicht, warum man sich nicht dazu aufraffen konnte, den Wünschen beziehungsweise den ganz präzise formulierten Anregungen der Historikerkommission gerecht zu werden. Die Historikerkommission hat ja einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Entstehen des Bundesarchivgesetzes. Hätten sich die Bundesregierung oder in diesem Fall der Erste und der Zweite Präsident des Nationalrates, der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler nicht dazu entschlossen, eine Historikerkommission einzusetzen, dann wäre – das ist meine Vermutung – die Beschlußfassung eines Bundesarchivgesetzes nicht in dieser Form zustande gekommen. Daher verstehe ich es nicht, warum man der Anregung jener Einrichtung, die von der großen Koalition eingesetzt wurde und von allen getragen wird, nicht entspricht. Sie sagt berechtigterweise: Um dem Auftrag des Nationalrates und der Regierung entsprechend nachkommen zu können, müßte das Bundesarchivgesetz anders aussehen! Das ist ein ganz wesentlicher Einwand. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte aber diese Gelegenheit nützen, um in Sachen des Umgangs Österreichs mit der Zeitgeschichte auch eine Anmerkung zu machen, und zwar eine Anmerkung, die indirekt, aber in manchen Belangen auch direkt mit dem Bundesarchivgesetz etwas zu tun hat. Ich meine die Frage der Rückgabe von geraubten und gestohlenen Bildern.

Vor nicht einmal einem Jahr hat der Nationalrat – auch mit Zustimmung der Fraktion des Liberalen Forums und jener der Grünen – einem von der Frau Ministerin Gehrer eingebrachten Gesetzesvorschlag betreffend Rückstellung geraubter Bilder die Zustimmung gegeben. Ich habe damals hier vom Rednerpult aus gesagt, daß ich das für einen ganz entscheidenden Schritt halte und daß ich diesen Weg, den die Frau Bundesministerin da gegangen ist, nicht nur persönlich, sondern im Verein mit der gesamten Fraktion der Grünen unterstütze und daß ich ihn für richtungweisend halte – dies trotz einiger Kritikpunkte, und genau diese Kritikpunkte, die Schwachstellen betroffen haben, haben sich jetzt als richtig erwiesen.

Ein Beispiel: Die Kommission prüft den Anspruch auf Restitution und entscheidet meiner Ansicht nach gegen die Intention des Gesetzgebers. Zum zweiten Mal werden jetzt Erben von Nazi-


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