Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 181. Sitzung / 128

dem Hohen Haus verabschiedet. Zum selben Zeitpunkt bringt die "F" eine Dringliche Anfrage ein, in der sie es als Ausdruck des Postenschachers kritisiert, daß Kollege Nowotny eine hohe Funktion in der Europäischen Investitionsbank bekommt. – Vorher das Lob, und dann, wenn er etwas wird, Gegenstand einer Dringlichen Anfrage! (Abg. Dr. Graf: Die ÖVP hat ihn gelobt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genauso geht es in Ihrer Liste weiter. Um die Liste durchzugehen: Wenn Sie darin zum Beispiel anführen, daß Kollege Schwimmer es geschafft hat, Generalsekretär des Europarates zu werden, muß ich sagen: Es müßte eigentlich eine Freude für die Mitglieder des Hohen Hauses sein, daß ein Österreicher auf Basis des demokratischen Votums von frei gewählten Abgeordneten der 40 Mitgliedstaaten des Europarates gewählt wird. Das kann doch nicht Ausdruck eines Postenschachers sein! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Aber ihr habt ihn nicht gewählt!)

Es war ein geheimes Wahlrecht, Herr Kollege Khol. Sie werden nicht wissen, welcher einzelne Abgeordnete wie abgestimmt hat. (Abg. Dr. Khol: Schieder hat über ihn im "Standard" vom Vortag gesagt, daß er "ungeeignet" ist! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie sich die Praktiken in entwickelten Marktwirtschaften ansehen, müssen Sie doch eines ganz klar sehen: In den Vereinigten Staaten von Amerika – aufgrund ihrer Produktivität mit Recht eine sehr gepriesene Marktwirtschaft mit verschiedenen sozialen Schattenseiten – steht es völlig auf der Tagesordnung, daß es ein offenes System zwischen Wirtschaft und Politik gibt und daß Menschen aus der Wirtschaft in die Politik gehen. Wenn Menschen dann sozusagen aus der Politik wieder aussteigen ... (Abg. Ing. Langthaler: Aber mit Hearings!)

Sehr geehrte Frau Kollegin Langthaler! Nennen Sie mir nur einen einzigen amerikanischen Politiker, der nach seiner Zeit im Senat, im Repräsentantenhaus oder in der amerikanischen Regierung nicht nahtlos in ein amerikanisches Wirtschaftsunternehmen übergetreten ist, weil es dort völlige Flexibilität gibt! (Abg. Ing. Langthaler: Nicht in ein staatliches! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: ... für Rot und Schwarz!)

Diese Flexibilität wird es in Zukunft auch in Österreich in einem stärkeren Ausmaß geben und geben müssen. Es ist doch völlig klar, daß, je kürzer die Abgeordneten im Hohen Haus anwesend sind – und heute sind die Abgeordneten meist nicht mehr 20 Jahre lang hier, sondern, wie Kollegin Langthaler, vielleicht nur acht oder neun Jahre –, viele Abgeordnete nach ihrer Tätigkeit im Hohen Haus versuchen werden, weiterhin beruflich erfolgreich zu sein. (Abg. Dr. Graf: So wie Bangemann!)

Ich frage Sie alle: Halten Sie sich insgesamt für so unfähig, daß Sie glauben, daß Sie nach Ihrer parlamentarischen Tätigkeit für keine wirtschaftliche Position in diesem Land mehr geeignet sind, meine sehr verehrten Damen und Herren? Wo ist Ihr parlamentarisches Selbstbewußtsein? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Warum haben Sie Bangemann nicht zitiert? – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß es in einem Land, in dem es mehr als 1 Million Menschen gibt, die in irgendeiner der fünf parlamentarischen Parteien Mitglieder sind, auch vorkommen kann, daß diese mehr als 1 Million Mitglieder von österreichischen Parteien, bei rund 3,3 Millionen Beschäftigten in unserem Lande, irgendwann auch einer Beschäftigung nachgehen und es nicht akzeptieren können, daß ein Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung, nur weil sie Mitglieder von Parteien sind, von jeglicher Beschäftigung in diesem Land ausge-schlossen werden sollen, ist auch ein demokratiepolitisches Problem. (Abg. Ing. Langthaler: Immer von zwei Parteien?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Welches Signal wird denn gesetzt, wenn jeder, der ein Parteibuch hat, keine Funktion im wirtschaftlichen Bereich in diesem Land mehr erhalten soll? – Das heißt doch in Wirklichkeit, daß man die Leute von der politischen Beteiligung weg-bekommen will. Und das ist gegen die Demokratie! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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