Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 2. Sitzung / Seite 126

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Ich denke, es ist notwendig, dass wir diese Diskussion, die nun geführt wird, fortsetzen, weil es tatsächlich kein rationales Argument mehr dafür gibt, den Zustand, den wir derzeit haben und der sich in Gesamteuropa mittlerweile als einzigartig darstellt, weiterhin aufrechtzuerhalten.

Frau Kollegin Lunacek! Sie haben es angesprochen: Es hat hier im Rahmen der europäischen Instanzen zahlreiche Entscheidungen, Hinweise und Aufforderungen gegeben, die unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass unser Verständnis zu dieser Frage ein völlig unhaltbares ist und mit der Menschenwürde und den Menschenrechten nicht in Einklang zu bringen ist. Es hat auch eine umfangreiche Aufarbeitung des Themas gegeben, und ich habe das Gefühl, dass sich die Dinge bewegen, dass wir in der Diskussion vorankommen. Daher sage ich noch einmal: Ich denke, dass es gut ist, diese Diskussion so zu führen, dass man nach der Diskussion wirklich weiter reden kann und sich nicht in starren Positionen eingräbt.

Diese Diskussion hat auch sachliche Aspekte dargelegt. Nicht zuletzt hat im Jahre 1995 im Rahmen des Justizausschusses ein Expertenhearing völlig klargelegt, dass die Entscheidungsgrundlagen, die auch der Verfassungsgerichtshof in einer Befassung mit dieser Angelegenheit zum § 209 dargelegt hat, nicht mehr aufrechtzuerhalten sind.

Was ich damit anspreche, ist die so genannte Prägetheorie. Es wurde lange Zeit damit argumentiert, dass junge Männer, konfrontiert mit einem gleichgeschlechtlichen Verhalten, für die Zukunft in diese Richtung geprägt werden und dadurch schützenswerter sind, als es zum Beispiel Mädchen und Frauen sind.

Es gab im Rahmen dieser Diskussion eine Präsentation von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ich finde, man kann diese Erkenntnisse nicht einfach zur Seite schieben, auch dann nicht, wenn man sagt, man ist emotional noch nicht in der Lage, sich damit wirklich auseinanderzusetzen und das zu akzeptieren – was ich auch verstehe. Aber ich meine, man kann nicht auf der anderen Seite völlig ignorieren, dass aufgezeigt wurde, dass diese Prägetheorie unrichtig ist. Es gibt in ganz Europa mittlerweile keine ernst zu nehmende Stimme mehr, die diese Theorie weiterhin aufrecht erhält. Das ist aber der Hauptpunkt der Argumentation, warum der § 209 tatsächlich aufrechterhalten werden soll.

Es stellt sich derzeit so dar, dass wir in Österreich zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Sexualität und hinsichtlich der Schutzwürdigkeit unterscheiden, ohne dass es eine sachliche Basis dafür gibt, weil eben die erwähnte sachliche Argumentation nicht stimmt. Diese Situation ist nicht aufrechtzuerhalten, und ich darf daher ersuchen, die Diskussion in diesem Sinne fortzusetzen. Ich nehme wirklich Abstand von jeder deftigeren Wortmeldung und lade Sie alle zu weiteren Gesprächen ein. Ich glaube, wir sind es uns wirklich schuldig – es geht um Menschenrechte! –, diese Dinge weiter zu entwickeln. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt – Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin Lunacek – ist die Lebensgemeinschaft. Ich meine, dazu sind zwei Dinge zu sagen. Es geht dabei nicht nur um gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, sondern es geht dabei auch um heterosexuelle Lebensgemeinschaften.

Wie ist der Umgang der Gesellschaft mit jenen, die sich – etwa aus formalen Gründen – nicht entschließen können, zu heiraten, die aber trotzdem zusammenleben wollen? Soll es wirklich so sein, dass wir sagen, die einzige Form des formalisierten Zuammenlebens ist die Ehe? Oder sollen wir sagen, wir können nicht alles vorschreiben, es muss auch noch andere Formen geben, etwa die eingetragene Lebensgemeinschaft?

Wir sind für die eingetragene Lebensgemeinschaft, die man zum Beispiel auf dem Standesamt oder sonst irgendwo – über Formalismen kann man reden – eintragen lässt und bei der zwei Personen erklären, zusammenleben zu wollen. Das betrifft sowohl Hetero- als auch Homosexuelle.

Es gibt in diesem Land einfach ein Bedürfnis, zusammenzuleben, ohne zu heiraten, mit natürlich geringeren rechtlichen Konsequenzen. Aber es ist für mich zum Beispiel nicht verständlich, dass man, wenn von zwei Personen, die 25 Jahre lang zusammengelebt haben, einer stirbt und kein


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