Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 124

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Botschafter, und es lohnt sich, manche Worte in diesem Regierungsprogramm genau unter die Lupe zu nehmen.

Auch in der heute gehörten Regierungserklärung – wir haben genau zugehört – finden sich Sätze, die berechtigt Unruhe und Sorge bei uns entstehen lassen. Zur zusätzlichen Verwirrung reist dann noch der Landeshauptmann von Kärnten durch die Welt und erklärt einmal dies und einmal das, je nach Situation, so zum Beispiel in der "Pressestunde" zur Frage des Selbstbehalts: Wir haben geschaut, dass das in den Krankenanstalten nicht zum Tragen kommt.

Die Frau Ministerin hat heute gesagt: Selbstverständlich werden auch die Ambulanzen von diesem Selbstbehalt betroffen sein. Gehören nun Ambulanzen zum Krankenhaus, oder gehören sie nicht dazu?, frage ich mich.

Wenn "Österreich neu regieren" heißt, die Balance zwischen Bürger und Staat neu zu definieren – wie die Vizekanzlerin das ausgedrückt hat –, oder wenn es gilt, eine verbesserte Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privat zu finden, dann muss ich sagen: Es macht mir Ihr Regierungsprogramm Angst. Ich stelle mir die Frage: Besser für wen soll es sein?

Frau Ministerin Sickl! Allein was in Ihrem Ministerium geplant ist, lässt diese Frage zu: Für wen? – Das wird eine rhetorische Frage, wenn ich das Programm studiere. Mit Sicherheit wird es nicht besser für den Menschen werden. Ihre unzureichende oder vielmehr gar nicht vorhandene Beantwortung der Anfrage bestätigt mich. Wenigstens einige Fragen hätten Sie wohl beantworten können müssen! (Beifall bei der SPÖ.) Eckdaten werden Ihnen als Expertin ja nach fünf Tagen bekannt sein.

Frau Ministerin! In Ihr Ressort fallen 125 Milliarden Schilling an Ausgaben im Gesundheitsbereich. Die eine oder andere Antwort muss das Hohe Haus, wenn es um diese Summe geht, wohl erwarten dürfen. Sie wissen, dass Österreich eines der besten Gesundheitssysteme hat, auch laut einer OECD-Studie. Sie wissen genau, wie solidarisch es ist. Dazu gehören auch die hervorragenden Familienleistungen. Sie wissen, dass die beitragsfreie Mitversicherung von Angehörigen eine große Leistung dieses Programms, dieses Gesundheitssystems in Österreich ist, das nicht nach Alter, Geschlecht oder sozialer Situation differenziert (Abg. Donabauer: Das stellt ja niemand in Frage, Frau Kollegin! Das stellt ja niemand in Frage!), und das bei einem niedrigen Beitragssatz mit höchster Effizienz in der Umsetzung. Ihre abgelesenen Stehsätze hier herinnen als Beantwortung der gestellten Fragen lassen darauf schließen, dass die Gefahr der Entsolidarisierung besteht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann aus diesem Programm, was das Gesundheitssystem Österreichs betrifft, nur herauslesen, dass es einen massiven Angriff auf Geldbörsen der kleinen Leute geben wird. Da hilft es nicht, wenn heute Klubobmann Westenthaler sein Bekenntnis zur Politik für die kleinen Leute hier wiederholt hat. Ich frage mich, ob die sozial Schwachen Ihnen so unwichtig sind, dass Sie ihnen das Geld aus der Tasche ziehen, um es anderen zukommen zu lassen. (Abg. Fischl: Die Antwort geben wir Ihnen gern!)

Ich erwarte von Ihnen, Frau Ministerin, dass Sie hier präzise Aussagen machen. Soll Leistung an Kranke nun rationiert werden? (Abg. Dr. Puttinger: Was heißt rationieren?)  – Sie wissen, dass heute jeder Mensch jeden Alters gleichen Anspruch auf Leistungen hat. Rationieren heißt, dass Leistungen eingeteilt werden, dass womöglich ein 70-jähriger Patient irgendwann einmal nicht mehr Anspruch darauf haben wird, sich am Auge operieren zu lassen, weil er an grauem Star leidet. (Abg. Dr. Puttinger: Warum? Wie kommen Sie auf so etwas? – Abg. Schwarzenberger: Wo sieht das die SPÖ?) Oder heißt das womöglich, dass irgendwann älteren Menschen Hüftoperationen nicht mehr zugestanden werden? (Abg. Dr. Puttinger: Das gibt es nicht einmal mehr in Afrika!) Nehmen Sie den Menschen die Angst vor der Zwei-Klassen-Medizin! (Beifall bei der SPÖ.) – Definieren Sie vom Schlagwort weg, was "Teilkrankenstand" für Sie ist.

Unter dem Stichwort "Lebensqualität ausbauen" steht im Regierungsprogramm: Die Selbstmedikation soll forciert werden, die Steuerungsmöglichkeiten durch Rezeptgebühren sollen überprüft werden.


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