Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 140

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Konzentrationslagern als "Straflager" hier im Parlament von "semantischer Masturbation" gesprochen hat? Wie fühlen Sie sich da als christlich-sozialer Politiker in Österreich? (Abg. Dr. Ofner: Tu nicht so jammern und raunzen!)

Ich habe Sie in der Vergangenheit ja durchaus vielfach – als Außenminister, aber auch schon vorher als Wirtschaftsminister – als christlich-sozialen Politiker kennen gelernt, um nicht zu sagen, manchmal auch schätzen gelernt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Jetzt frage ich Sie: Wie fühlen Sie sich auf dieser Bank mit "Nazi"-Buchstabierern, mit Menschen, die ihr eigenes Wort ein paar Stunden später schon so ad absurdum führen?

Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn das Ausland so reagiert, wie es reagiert. (Abg. Mag. Trattner: Herr Präsident, was soll das?) Das Ausland, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat – im Gegensatz zu uns – keinen Gewöhnungseffekt an "Nazi"-Buchstabierer, keinen Gewöhnungseffekt an KZ-Verharmloser, keinen Gewöhnungseffekt an Freunde der Waffen-SS. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren, was die Kolleginnen und Kollegen im Ausland aufregt! (Ruf bei den Freiheitlichen: Da sind die Hetzer unterwegs! – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.

Herr Bundeskanzler – und das ist auch an den Kollegen Spindelegger gerichtet –: Noch bevor die Konstellation dieser Bundesregierung feststand, aber bereits nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Versuch einer Regierungsbildung zwischen den Sozialdemokraten und Ihnen, Herr Bundeskanzler, wurde im Europarat – ich bin ja auch Delegierte der Parlamentarischen Versammlung – ein Bericht über rechtsextreme Parteien in Europa diskutiert.

Meine Damen und Herren! Es ist mir kalt den Buckel hinuntergelaufen, als ich beobachtete, wie jene Kollegen, die von diesem Nationalrat in den Europarat entsandt wurden, die Einzigen neben den Rechtsextremen aus Belgien waren, die Anträge eines Schirinowski unterstützten und auch noch applaudierten. (Zwischenruf der Abg. Gatterer. ) Das ist es! Das ist Ihre Gesellschaft, sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Das ist es! Und dann nimmt es Kollege Spindelegger ebenfalls frei gewählten Abgeordneten anderer Länder übel, wenn sie politische Kritik üben, etwa die Kritik dieser französischen Abgeordneten im Europarat, die du, lieber Kollege Spindelegger, hier angesprochen hast.

Ich möchte hier folgendes dezidiert feststellen: Wir werden es uns nicht nehmen lassen, politische Kritik zu üben, wiewohl wir auch gewisse formale Grundsätze akzeptieren. (Abg. Mag. Trattner: Ihre Gesellschaft hat der Herr Edlinger nicht verdient!) Die Tatsache zum Beispiel, dass Sie über 104 Mandate hier in diesem Hause verfügen und damit auch eine satte Mehrheit haben, ist ein Faktum, das niemand abstreiten wird. Aber niemand wird uns – und auch nicht den Leuten, die jetzt draußen in einem verordneten 300-Meter-Respektabstand vom Parlament ihren Unmut über die Zusammensetzung dieser Bundesregierung kundtun – verbieten können, Kritik zu üben, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Ofner: Willst du es herinnen wie im Burgtheater?)

Darum ist es mir – ich war einige Male bei den Demonstrantinnen und Demonstranten draußen – ein spezielles Anliegen, zu sagen (Abg. Dr. Ofner: Das habe ich befürchtet! Dass du ein Geständnis ablegst, habe ich nicht gedacht! – Abg. Mag. Trattner: Bis jetzt nur vermutet, jetzt wissen wir es!), dass genau diese jungen Leute, die alle sympathisch, engagiert, politisch aktiv sind, unserer Unterstützung bedürfen. (Abg. Dr. Ofner: Mit der schwarzen Fahne der Anarchie! – Zwischenruf des Abg. Jung. )

Diesen jungen Menschen geht es nämlich wirklich um das, worum es sonst Politikerinnen und Politikern heutzutage nicht allzu häufig geht, vor allem nicht dem Herr Bundeskanzler: Es geht um die Zukunft junger Menschen. Ich kann es ja gar nicht mehr hören, wenn Politikerinnen und Politiker sagen: Es geht um unsere Jugend, es geht um die Zukunft unserer Kinder. – Das ist das, was man dauernd im Mund führt. Denen da draußen geht es aber wirklich um ihre Zukunft, und sie machen sich Sorgen, wenn Österreich von ganz Europa und in ganz Europa isoliert wird, aber nicht nur in Europa.


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