Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 168

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Slogan abgehen. Lebenslang soll lebenslang bleiben, aber: Lebenslang muss nicht in allen Fällen lebenslang bleiben!

Wir Freiheitlichen fühlen uns den Menschenrechten verpflichtet, und die Menschenrechte sind – wie allgemein immer gesagt wird – unteilbar. Ich verweise auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtshofes von Karlsruhe vom 21. Juni 1977, in der der Bundesverfassungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass eine lebenslange Strafe, bei der auf der Zellentür geschrieben steht "Strafende: Tod" und bei der der verurteilte Rechtsbrecher nicht einmal einen minimalen Funken Hoffnung haben kann, dass er jemals lebend die Strafanstalt verlassen wird, menschenrechtswidrig ist. Wir stehen auch dazu, dass das menschenrechtswidrig ist, denn das ist inhuman, das verstößt gegen die Menschenrechte.

Daher sagen wir: Lebenslang soll lebenslang bleiben. Unter humanitären Umständen, wenn jegliche Gefahr für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger ausgeschlossen ist, wenn noch andere Elemente dazukommen, etwa ein höheres Alter oder großes Unglück in der eigenen Familie, für diese Fälle können wir uns, wenn kein Restrisiko mehr für die Gesellschaft besteht, selbstverständlich vorstellen, dass eine bedingte Entlassung nach 15 Jahren auch für so genannte Lebenslängliche stattfindet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Regierungserklärung steht geschrieben: Ein neues Unternehmensrecht muss Vereinfachungen für zeitgemäße Berufsrechte wie zum Beispiel für Steuerberater, Rechtsanwälte und Ärzte schaffen. – Ich wende mich dem Stand zu, dem ich angehöre, dem Rechtsanwaltsstand. Ich leide nicht unter Standesdünkel, und ich glaube, dass die Rechtsanwaltschaft und ihre Vertretung in den letzten Jahren nicht immer alles richtig gemacht haben. Das möchte ich vorausschicken.

Es gibt sehr moderne Länderkammern, zu denen ich aus meiner Sicht die Wiener Rechtsanwaltskammer zählen würde, die einen sehr modern eingestellten Präsidenten hat, der bei seiner Antrittsrede gesagt hat: Im Disziplinarrecht muss man mit Blödheiten – wie er sich ausgedrückt hat, ich zitiere ihn hier – aufräumen. Denn es kann nicht so sein, dass es wegen irgendwelcher Nichtigkeiten und Kleinigkeiten – weil man vielleicht den Richter schief angeschaut hat – gleich zu einem Disziplinarverfahren kommt.

Eines aber kann in Zukunft mit Sicherheit nicht mehr sein – wenn ich als freiheitlicher Justizminister das bei der Österreichischen Volkspartei reklamiere, dann bin ich sicher, dass ich ihr Verständnis finde, aber, wie ich glaube, auch das Verständnis von Kollegen Jarolim –: dass in einem Disziplinarverfahren die eigene Länderkammer über Verfehlungen des Mitglieds entscheidet. Stellen Sie sich vor: Wir haben 3 000 Anwälte in Österreich. Es gibt ja nur wenige – ein paar Dutzend – Anwälte etwa im Burgenland und in Vorarlberg. Es kann doch, bitte, nicht so sein, dass die eigene Kammer dann über den Kollegen, den jeder kennt – ob er mit guten Gefühlen behaftet ist oder ob man ihm mit negativem Urteil gegenübersteht –, eine Entscheidung trifft. Das kann es nicht geben, meine Damen und Herren! Da werden wir auch eine Änderung herbeiführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Worin muss diese Änderung bestehen? – Hier können sich die Anwälte an der Richterschaft ein Beispiel nehmen: Dort ist es so, dass sofort ein anderer Sprengel zuständig ist, wenn es ein Disziplinarverfahren gegen einen Richter gibt, sodass Befangenheiten von vornherein auszuschließen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei und auch von der Freiheitlichen Partei! Wir haben uns sehr viel vorgenommen – das, was ich genannt habe, ist nur ein kleiner Abschnitt. Ich habe vor, als Reformminister in die österreichische Justizgeschichte einzugehen. Ich lade Sie ein, mir dabei zu helfen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abgeordnete der SPÖ fordern die Abgeordneten der Freiheitlichen durch lebhafte ironische Gesten auf, sich von ihren Sitzen zu erheben. – Einige Abgeordnete der Freiheitlichen folgen dieser Aufforderung und setzen ihren Beifall stehend fort.)

20.30


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